Internet-Surfen im Job: Das sind Ihre Rechte

Noch schnell ein paar Geschenke online ordern? Urlaubsfotos anschauen? Was ein Angestellter während der Arbeitszeit im Internet darf. Ein Überblick.    
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Noch schnell ein paar Geschenke online ordern? Urlaubsfotos anschauen? Was ein Angestellter während der Arbeitszeit im Internet darf. Ein Überblick.

München - Das Internet und Angebote wie Facebook, Twitter oder Blogs haben das Leben verändert. In vielen Bereichen. Menschen kommunizieren anders, sie chatten oder posten, statt zu telefonieren – gerade jetzt im Vorweihnachtsstress wird vieles online erledigt, auch vom Arbeitsplatz aus.

Die Gesetzgeber laufen bei all diesen Entwicklungen hinterher. Auch wenn es um diese Fragen geht: Was darf eigentlich ein Arbeitnehmer im Netz, was darf er nicht? Und was darf ihm der Arbeitgeber verbieten oder wozu darf er ihn eventuell sogar zwingen? „Das Arbeitsrecht entspricht noch der alten Situation, in der es noch keine Angebote wie Facebook oder Twitter gab, und in der Arbeitnehmer nicht dauererreichbar waren“, erklärt der Anwalt Tobias Leder von der Kanzlei Latham & Watkins in München. Dementsprechend wird die rechtliche Situation derzeit über Gerichtsurteile abgeklopft. Nach und nach. Schritt für Schritt. Eine Übersicht.

Surfen in der Arbeitszeit. Die Hälfte aller Arbeitnehmer nutzt das Internet während der Arbeitszeit für private Zwecke. Da werden E-Mails geschrieben, Urlaube gebucht oder eben auch mal mit der besten Freundin gechattet. Was in Maßen kein großes Problem ist, wird jedoch zu einem, wenn es überhandnimmt. Denn die Zeit geht natürlich von der Arbeitszeit ab.

Die Unternehmen stehen also vor der Frage: Erlauben sie oder verbieten sie private Nutzung des Internets? Arbeitsrechtler raten, diese Dinge klar festzulegen.

Rechtlich sieht die Situation derzeit so aus: Ist es nicht genau geregelt, muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter zunächst informieren, bevor er ihn wegen übermäßiger privater Internetnutzung abmahnt. Und eine kurze private Nutzung ist immer hinnehmbar, zum Beispiel, wenn der Arbeitnehmer eine kurze E-Mail schreibt, dass er später nach Hause kommt (Bundesarbeitsgericht, Az.: 2 AZR 581/04).

Wie viel ist zulässig? Ist das private Surfen im Internet grundsätzlich erlaubt, kann es sich trotzdem um eine zu exzessive Nutzung handeln. Das Bundesarbeitsgericht hielt zum Beispiel mehr als eine Stunde pro zwei Tage für einen Kündigungsgrund (Az.: 2 AZR 200/06). Auch eine missbräuchliche, strafbare Nutzung kann zu einer Kündigung führen, selbst wenn private Nutzung erlaubt ist. Das heißt, wenn ein Arbeitnehmer strafbare pornografische Seiten besucht.

Wer zuviel privat surft, riskiert die Kündigung.

„Nur pornografische Inhalte reichen für eine Kündigung nicht“, erklärt Anwältin Claudia Heins von Latham & Watkins, „das kristallisiert sich derzeit bei den Prozessen heraus.“ Heins und ihre Kollegen beraten Firmen gezielt in Sachen Arbeitsrecht und Social Media. Wer in seiner Arbeitszeit trotz eines grundsätzlichen Verbots des Unternehmens privat surft, der kann abgemahnt und in der Folge gekündigt werden.

Zwang zum Twittern. Kann der Arbeitgeber den Angestellten verpflichten, in Foren, bei Twitter oder Ähnlichem aktiv zu sein? Auch wenn er so persönliche Daten preisgeben muss? „Ja, wenn es zum Aufgabenbereich des Mitarbeiters gehört“, sagt Heins, „das kann Pressesprecher betreffen oder andere Mitarbeiter aus dem Bereich der Unternehmenskommunikation.“

Social Media in der Freizeit. Prinzipiell geht es den Arbeitgeber nichts an, was ein Mitarbeiter in seiner Freizeit macht, ob er also beispielsweise bei Twitter rege über Fußballspiele oder seine Meinung zum aktuellen „Tatort“ verbreitet. Die Meinungsfreiheit ist ein in Deutschland sehr hoch geschätztes Gut, und dementsprechend großzügig sind die Gerichte. „Der Arbeitnehmer darf dabei nur nicht den Eindruck vermitteln, dass er im Namen des Arbeitgebers auftritt“, so Expertin Heins.

Öffentliche Kritik am Arbeitgeber. Grundsätzlich gilt auch hier: Die Meinungsfreiheit steht im Vordergrund. Das Landgericht Baden-Württemberg hat zum Beispiel 2010 entschieden, dass kritische Äußerungen des Arbeitnehmers über den Arbeitgeber im Internet durch die Meinungsfreiheit geschützt sind (Az.: 2 Sa 59/09). Die Grenze ist hier natürlich unwahre Tatsachenbehauptung oder Ehrverletzendes. Dementsprechend durfte einem Banker, der über seinen Arbeitgeber in einem Forum verbreitet hatte, dort herrsche ein nationalsozialistisches Terrorsystem, daraufhin gekündigt werden (Bundesarbeitsgericht, Az.: 2 AZR 584/04).

Achtung wer bei Facebook über den Arbeitgeber lästert.

Auch zahlreiche Fälle von Beleidigungen des Arbeitgebers via Facebook wurden von den Gerichten bereits für die Arbeitgeber entschieden, und dem Arbeitnehmer durfte gekündigt werden. So nannte zum Beispiel ein Azubi bei Facebook seinen Arbeitgeber Menschenschinder und musste gehen (Landgericht Hamm, Az.: 3 Sa 644/12).

Die Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Facebook oder über Twitter unterscheidet sich eben doch von einem Gespräch unter Freunden oder Kollegen. Denn dort ist die Anzahl an Empfängern nicht klar begrenzt, und schnell können kritische Kommentare über den Arbeitgeber kopiert oder weitergeleitet werden. „Eine Kündigung ist da eher möglich als bei mündlichen Äußerungen gegenüber Arbeitskollegen“, erklärt Anwältin Heins.

Geheimnisverrat im Netz. Arbeitnehmer dürfen Betriebsgeheimnisse nicht ausplaudern. Auch schon im Privaten nicht. Aber in sozialen Medien ist die Gefahr einer schnellen Weiterverbreitung natürlich noch viel größer. Von daher sorgen sich hier viele Unternehmen. „Sie sollten klare Anweisung erteilen, dass die Verschwiegenheitspflicht auch bei Äußerungen im Internet gilt“, rät Heins. So könne der Arbeitnehmer auf die Problematik aufmerksam gemacht werden. Ansonsten gilt: Kündigungen bei Geheimnisverrat sind oft arbeitsrechtlich in Ordnung.

Das kann sogar für sogenanntes Whistleblowing gelten, wenn also ein Arbeitnehmer Missstände bei seinem Arbeitgeber aufdeckt. „In Deutschland sind die Gerichte da erst mal gar nicht so gnädig“, erklärt Anwalt Leder. Doch: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht habe ein deutsches Urteil kassiert und das öffentliche Interesse an der Aufdeckung von Missständen in den Fokus gehoben (Az.: 28274/08). Deshalb rechnet Leder in Zukunft damit, dass sich hier die Beurteilung verschieben wird.

Wem gehört eigentlich das Outlook-Telefonbuch?

Online-Kontakte. Wenn der Arbeitnehmer geht oder ihm gekündigt wird, tauchen plötzlich Probleme auf, von denen man sich vorher nicht hätte träumen lassen. Fragen wie: Wem gehört das Outlook-Telefonbuch? Dem Arbeitnehmer oder dem Arbeitgeber? „Termine und Kontakte müssen dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden“, sagt Anwältin Heins.

Das gilt auch für die Follower auf Twitter, wenn der Twitter-Account des Arbeitnehmers eindeutig in seiner Funktion für das Unternehmen geführt wurde.

Was sehr theoretisch klingt, wird etwas verständlicher, wenn man sich ausmalt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert irgendwann mal zum Fernsehen zurückgeht und dann aber bitte die Follower seines derzeitigen Accounts @RegSprecher mitnehmen möchte. Verständlich, dass das nur schwer möglich sein wird.

 

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