Intergalaktische Nacht

Seit langem schon hat der „Life Ball“ dem mittlerweile eher gestelzten Wiener-Opernball den Rang abgelaufen. Die Gäste zeigten sich schrill und bunt – und feieren die Nacht durch.
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Schrill präsentiert sich der "Life Ball".
dpa Schrill präsentiert sich der "Life Ball".

Seit langem schon hat der „Life Ball“ dem mittlerweile eher gestelzten Wiener-Opernball den Rang abgelaufen. Die Gäste zeigten sich schrill und bunt – und feieren die Nacht durch.

Mag das Personal sich ändern, die Gäste Jahr für Jahr mit neuen, stets noch wilderen Kreationen erscheinen, eines bleibt gleich: Seit langem schon hat der „Life Ball“ dem mittlerweile eher gestelzten Wiener-Opernball den Rang abgelaufen – und wer am Samstagabend vor dem Wiener Rathaus die Ankunft der vielen internationalen Stars und hochkarätigen Gästen beobachtete, der weiß, warum dies so ist.

Der Abend beginnt damit, dass Gery Keszler – Gründer des Balles als Europas größter Charity-Event im Kampf gegen HIV und Aids – mit stolz geschwellter Brust US-Superstar Sharon Stone empfängt. Keszler trägt einen schwarzen Smoking, Stone eine bodenlange Robe, die Gustav Klimt bemalt haben könnte. Beide wandeln sie über einen schier endlos langen roten Teppich, den sie vom Burgtheater über die gesperrten Ringstraßen bis hin zum Rathaus gelegt haben. Als sie dort angelangt sind, ist der „Life Ball“ mit seinem Motto „Intergalaktische Nacht“ eröffnet – und während wegen die Stadt allmählich im Verkehrschaos versinkt, erstrahlen das Burgtheater sowie das Rathaus in ausgeklügelten Lichtspielen.

Hier, in dieser Beamtenhochburg, hatte vor 16 Jahren Wiens damaliger Bürgermeister Hemut Zilk das Fest gegen Aids und Ausgrenzung zum ersten Mal eröffnet – vor allem auf Drängen seiner Frau, Musical-Star Dagmar Koller, hin. Heute begrüßt Michael Häupl die rund 70 000 Menschen am Rand des gigantischen Laufsteges. Mit den vielen Lesben und Schwulen unter den 4000 Ballgästen hat er keine Berührungsängste – augenscheinlich im Gegensatz zum österreichischen Bundespräsidenten, der eine Teilnahme an Wiens aufsehenerregendster Mega-Fete noch nie in Betracht gezogen hat.

Ernsthafte Botschaft

Trotz all der bunten Vögel, der grellen Kostüme, der Lust am Zeigen und Schauen, hat der „Life Ball“ eine ernsthafte Botschaft: „Kein Buhlen mehr um Toleranz für Lesben und Schwule, das haben wir nicht nötig. Wir werben für mehr Miteinander“, erklärt Häupl und schreitet, eskotiert von grünen Aliens mit wogenden Busen, auf Gery Keszler zu. Auf dessen schwarzen T-Shirt prangt groß das Wort „Berufsschwuchtel“. So hatte ihn die rechtslastige österreichische Presse unlängst genannt. Keszler klagte und ließ sich zugleich den gehässigen Terminus schützen. Jetzt gehen die rasch gedruckten Shirts im Handel weg wie warme Semmeln. An diesem Abend zaubert Sharon Stone vor einer Hundertschaft von Fotografen eine Spraydose her und übersprüht das böse Wort auf Keszlers Brust. „Das Wort Schwuchtel gibt es jetzt nicht mehr“, erklärt Stone danach resolut.

Neben der US-Schauspielerin lassen sich viele weitere internationale Stars in Wien blicken: Supermodel Linda Evangelista ist bereits das fünfte Mal mit dabei und schwärmt: „Das hier ist die beste Party, und ich war schon auf vielen Parties auf allen Kontinenten.“ Kim Cattrall, bekannt als die männerverschlingende „Samantha“ aus „Sex And The City“, erscheint in schöner, nachtschwarzer Seidenrobe, ruft den Wienern zu, dass sie das Leben bitte feiern sollen.

Dann entsteigt Amande Lepore, ein zwittriges Kunstwesen und Muse des US-Designer-Duos „Heatharette“, einem beleuchteten Ufo, das aus dem schwarzen Himmel herabschwebt und unterhält sich mit Joseph Corré, Boss und Inspirator von „Agent Provocateur“, dem berühmten Unterwäsche-Label. Seine Spitzengebilde tragen Madonna, Kate Moss und Amy Winehouse. Leider singt Corré später zu seiner Wäscheshow – das sollte der Sohn der weltberühmten Designerin Vivienne Westwood lieber lassen.

Im Graben spielen die Wiener Symphoniker, auf dem Laufsteg stöckeln die Models umher: in Lack und Tangas, in Strings und Stiefeln. Plötzlich erscheint Nina Hagen und singt grottenschlecht, dann braust Niki Lauda auf einem Motorrad rein und Schwimmer Markus Rogan zeigt allen seinen Waschbrettbauch. Prinz Hubertus von Hohenlohe plaudert mit Peaches Geldof, Diana Langes Swarovski mit Sonya Kraus, Andrea Sawatzki mit Toni Polster. Die Nacht ist jung und wild und verrückt. Die Nacht ist intergalaktisch.

Kay Wörsching

Der Autor ist Szenewirt und Inhaber vom „Prosecco Teatro“ in der Schrannenhalle.

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