Intensivtäter gesteht «Ehrenmord» an Schwester
Mit über 20 Messerstichen hat ein 23-jähriger Deutsch-Afghane die vermeintlich verletzte Ehre seiner Familie wiederherstellen wollen. Der Grund: Seine Schwester führte ein anderes Leben, als es die Familie wünschte.
Einen Tag nach dem Hamburger «Ehrenmord» ist der geständige Deutsch-Afghane, der seine 16-jährige Schwester erstochen hatte, am Samstag wegen Mordes in Haft genommen worden. Der 23- Jährige wurde ins Hamburger Untersuchungsgefängnis gebracht, teilte die Polizei mit. Der junge Mann habe mehr als 20 Mal auf seine jüngere Schwester eingestochen. Sie starb in der Nacht zu Freitag nach Wiederbelebungsversuchen mehrerer Notärzte im Krankenwagen. Der von der Polizei als «Intensivtäter» bezeichnete 23-Jährige war bereits im vergangenen Jahr auf seine Schwester losgegangen und hatte sie zusammengeschlagen.
Die Bluttat ereignete sich im zentralen Stadtteil St. Georg in der Nähe des S-Bahnhofs Berliner Tor. Der Täter stach laut Polizei immer wieder auf die 16-Jährige ein. Anwohner und Jugendliche hörten sie laut um Hilfe schreien. Die Zeugen beobachteten, wie mehrere Personen vom Tatort flüchteten, und alarmierten kurz vor Mitternacht die Polizei. Als die Feuerwehr eintraf, war das Mädchen bereits tot. «Wir haben eine Stunde lang versucht, sie wiederzubeleben - leider erfolglos», sagte Feuerwehrsprecher Peter Braun.
Verhaftung ohne Widerstand
Nach der Tat hatte sich bei der Polizei ein Bekannter des Bruders gemeldet, der mit dem 23-Jährigen unterwegs war. Er beschuldigte den Bruder, das Mädchen getötet zu haben. Nach rund zwölfstündiger Fahndung nahm die Polizei den Tatverdächtigen am Freitagmittag in einem Stadtteil unweit des Tatorts auf der Straße fest. Er habe keinen Widerstand geleistet. In ersten Vernehmungen soll er gestanden haben, seine Schwester getötet zu haben. Sie habe sich von der Familie abgewandt. «Sie führte ein anderes Leben, als die Familie es wünschte», sagte Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Er betonte jedoch, dass es nach deutschem Strafrecht den Tatbestand Ehrenmord nicht gebe und der Beschuldigte das Wort Ehre nicht benutzt habe.
Mädchen lebte breits in Jugendhaus
Allerdings habe das Leben des Mädchens wohl von den Vorstellungen der Familie abgewichen: «Sie hat nicht zu Hause gewohnt, sondern seit längerem in einer sozialen Hilfseinrichtung.» Auf eigenen Wunsch war das Mädchen ausgezogen und lebte zuletzt in einem Jugendhaus. Nach einem Bericht des «Hamburger Abendblatts» hatte die Schülerin erst vor eineinhalb Jahren einen Preis der Toepfer-Stiftung für Toleranz und respektvolles Miteinander gewonnen. Ob die aus Afghanistan stammende Familie von seinen Tötungsplänen wusste, stehe noch nicht fest. Die Mordkommission ermittle vor allem im Bekannten- und Freundeskreis.
Erinnerungen an Berliner Tat werden wach
Der Fall erinnert an ein aufsehenerregendes Verbrechen in Berlin. Am 7. Februar 2005 wurde die Deutsch-Kurdin Hatun Sürücü von einem ihrer Brüder auf offener Straße erschossen,
weil die Familie den westlichen Lebensstil der jungen Frau nicht akzeptierte. Der Bruder ist rechtskräftig wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt. Zwei weitere ältere Brüder wurden zunächst freigesprochen. Der Bundesgerichtshof in Leipzig hob die Freisprüche jedoch auf, so dass der Prozess neu aufgerollt werden muss. (nz/dpa/AP)
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