In der Kritik: Wildtiere im Wohnzimmer

Während heimische Arten gesetzlich geschützt sind, floriert der legale Handel mit Exoten. Die "Topseller": Wickelbären, Präriehunde, Weißbüscheläffchen und Stinktiere. Tierschützer schlagen Alarm.
von  Lisa Forster
Albino-Stinktiere wie dieses sind bei Exoten-Fans begehrt.
Albino-Stinktiere wie dieses sind bei Exoten-Fans begehrt. © dpa

München - Er hat Kulleraugen, eine kleine spitze Nase und sehr niedliche Streifen: der Sugarglider oder Kurzkopfgleitbeutler. Für ein paar Hundert Euro ist er zu haben – im Internet. Der Handel mit den in Australien und Neuguinea verbreiteten Tieren ist legal, ihr Besitz nicht meldepflichtig.

Damit bekommt Petaurus breviceps, so der wissenschaftliche Name, immer öfter eine neue Heimat in deutschen Wohnzimmern. Wohl fühlen dürfte sich das knapp 20 Zentimeter große Tier zwischen Couch und Kissen kaum. Es ist nachtaktiv, lebt im Familienverband – und auf Bäumen, wo es mit seiner Flugmembran von Wipfel zu Wipfel schwebt. "Das ist kein Tier für die Privathaltung", sagt die Münchner Biologin Sandra Altherr von "Pro Wildlife".

Trotzdem greifen viele Menschen zu solchen Exoten. "Die Leute wollen etwas Besonderes", sagt Altherr. Wickelbären zum Beispiel, Präriehunde, Erdmännchen, Stinktiere oder Weißbüscheläffchen. "Das sind die Topseller", sagt Altherr.

Manche Arten sind nur in ihren Herkunftsländern geschützt, in Europa aber frei verkäuflich. Andere stehen in ihrer Heimat nicht unter Schutz, sind aber trotzdem bedroht. Wieder andere, wie die Weißbüscheläffchen, unterliegen dem Washingtoner Artenschutzabkommen und werden trotzdem verkauft. Sie dürfen unter bestimmten Voraussetzungen sogar als Wildfänge gehandelt werden, sagt Sandra Altherr. Bei Nachzuchten sei der Verkauf mit Herkunftsnachweis ohnehin recht unkompliziert.

Die Einfuhrgenehmigung erteilt bei geschützten Tieren das Bundesamt für Naturschutz. "Wenn es sich um eine Art handelt, die einer Einfuhrregelung unterliegt, wird auch die artgerechte Unterbringung geprüft", sagt Artenschutzreferent Michael Müller-Boge.
 

In Baden-Württemberg ist es erlaubt einen Puma zu halten

In einer Studie hatte der Naturschutzverband zwischen 2010 und 2015 Angebote im Kleintierhandel in Deutschland durchforstet und dabei insgesamt 10.000 exotische Säugetiere gefunden. "Das meiste ist leider noch immer erlaubt", sagt Altherr. Wie viele exotische Wildtiere in deutschen Haushalten leben, ist unbekannt. Tiere, die nicht unter das Artenschutzabkommen fallen, müssen bis auf wenige Ausnahmen nicht gemeldet werden. Für manche Tiere gibt es in einzelnen Bundesländern Gefahrtierverordnungen. Während es in Baden-Württemberg etwa erlaubt ist, einen Puma zu halten, verbieten es Berlin und Hessen. In Bayern sei es unter bestimmten Auflagen erlaubt, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund.

Oft seien die Halter exotischer Tiere nach kurzer Zeit überfordert, sagt sie. Dann landen die Tiere in Seen, Parks oder Auffangstationen, etwa in der Reptilien-Auffangstation in München. Die Einrichtung nimmt Wildtiere aller Art auf – und ist komplett ausgebucht. "Wir müssen viele Tiere aus Kapazitätsgründen ablehnen", sagt Sprecher Patrick Boncourt.

Von einem Trend will Boncourt trotzdem nicht sprechen. Falsche Haltung sei bei den üblichen Haustieren gleichermaßen ein Problem. Allerdings herrschten im deutschen Wildtierhandel viele Unklarheiten. Es bedürfe einer Regelung.

Dabei hat Deutschland restriktive Gesetze, was seinen heimischen Wildtierbestand angeht. "Wir dürfen nicht rausmarschieren in den Wald und ein Eichhörnchen mitnehmen, oder einen Igel", sagt Sandra Altherr. Für den afrikanischen Verwandten, den Weißbauchigel hingegen gebe es keinerlei Verbot, ihn zuhause zu halten. "Wir importieren die Tiere aus freier Wildbahn, damit wir die Wohnzimmer hübscher haben."

Lesen Sie hier: Haustier gesucht? Die Neuen im Tierheim München

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