Immer wieder Gewalt gegen Helfer: Drei Prozesse vor Gericht in Berlin
Warum schreit oder greift man Menschen an, die das Leben anderer retten wollen? Darauf gibt es keine Antwort, jedenfalls keine mit Sinn. Dennoch nehmen die Fälle von Gewalt gegen Rettungskräfte zu (AZ berichtete). Es sind Fälle, die sprachlos machen. So auch die drei, die seit am Dienstag vor Berliner Gerichten verhandelt werden. Die Entgleisungen der Angeklagten, ihre Erklärungsversuche, ihre Verhandlungen.
Prozess 1: Berliner attackiert Rettungswagen
Die Helfer reanimieren ein kleines Kind – der Autofahrer (23) will aber nicht warten.
Das Leben eines Babys stand auf dem Spiel – das kümmerte Maurizio W. nicht. Der 23-Jährige wütete, schimpfte, trat gegen den Seitenspiegel eines Rettungswagens – weil der ihm im November 2017 in Berlin-Moabit beim Ausparken den Weg versperrte.
Die Helfer waren gerufen worden, weil der kleine Leonard in der Kita bewusstlos geworden war. Die Retter parkten in zweiter Reihe, weil jede Sekunde zählte.
Der Angeklagte sei "völlig uneinsichtig" gewesen, beschrieb ein Feuerwehrbeamter die Szene. "Fahrt die Scheißkarre weg, ich muss zur Arbeit", habe er verlangt. Der Beamte erklärte ihm, dass es hier um das Leben eines Kindes gehe. W. habe gerufen: "Mir doch egal."
Weil er die Helfer behindert hat, ist W. am Dienstag zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt worden. Aus Egoismus habe er verlangt, den Rettungswagen wegzufahren, und habe dann gegen einen Seitenspiegel geschlagen, begründete das Amtsgericht Tiergarten sein Urteil.
Der Angeklagte gab seine Aggressionen zu. Er erkenne sich in seinem damaligen Verhalten nicht wieder, so der 23-Jährige. Vor Ort habe er "nicht wahrgenommen, worum es geht" und seine Wut an dem Einsatzwagen ausgelassen. Er sei froh, dass der kleine Bub gerettet werden konnte. Der Verteidiger sagte, sein Mandant habe bereits im Vorfeld des Prozesses 2000 Euro an die Eltern des Kindes gezahlt.
Wegen Behinderung hilfeleistender Personen und gemeinschädlicher Sachbeschädigung verhängte das Gericht eine Strafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro. Unter Einbeziehung von zwei früheren Verurteilungen bildete das Gericht allerdings eine Gesamtstrafe von 20 Monaten Haft auf Bewährung.
Prozess 2: 38-Jähriger wirft Böller auf Retter
Der Mann kommt am Dienstag nicht zum Prozessauftakt. Das Gericht erlässt Haftbefehl gegen ihn.
Ein zweiter Prozess hätte am Dienstag in Berlin starten sollen – doch anders als der Kita-Pöbler von Moabit ist der Angeklagte in diesem Fall zu seiner Verhandlung gar nicht erst aufgetaucht. Das Gericht erließ deswegen einen Haftbefehl.
Der 38-jährige Angeklagte soll im Januar im Stadtteil Kreuzberg einen Rettungswagen und dann auch Sanitäter mit Böllern beworfen haben. Er wollte sogar auf einen Defibrillator bieseln, was die Sanitäter gerade noch verhindern konnten. Solche Geräte werden bei Herzstillstand zur Wiederbelebung eingesetzt.
Damals berichtete die "B.Z.", dass die Sanitäter den Mann fixieren und der Polizei übergeben konnten. Die Feuerwehr teilte damals auf Twitter mit: "Patient zum Glück wohlauf, trotz verspäteter Behandlung."
Prozess 3: Haushaltsgerät als Waffe
Der Sanitäter kann vor der Angreiferin fliehen. Vor Gericht will sich die Angeklagte (35) nicht erinnern können.
Auch der dritte Fall ist am Dienstag in Berlin gestartet. Dabei geht es um eine 35 Jahre alte Frau. Sie soll in ihrer Wohnung mit einem Kartoffelschäler in Richtung eines Sanitäters gestochen haben. Dieser konnte fliehen.
Die Staatsanwaltschaft strebt in dem Verfahren die Unterbringung der Frau in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Angeklagte erschien zwar vor Gericht, berief sich aber am Dienstag beim Prozessauftakt auf fehlende Erinnerung.
Gewerkschaften klagen schon länger über eine Zunahme solcher Attacken gegen Einsatzkräfte. Seit Mai 2017 werden Angriffe auf Polizisten, Rettungspersonal und Feuerwehrleute härter bestraft. Seither drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Auch ein Feuerwehrbeamter aus Berlin bestätigte am Dienstag am Rande einer der Prozesse eine höhere Aggressivität gegenüber Rettungskräften: "Täglich wird in Berlin mindestens ein Rettungsfahrzeug behindert oder attackiert", sagte der Mann. "Es ist ein gesellschaftliches Problem – jeder ist sich selbst der Nächste."