Immer mehr, immer schneller, immer gefährlicher
Der schwere Skiunfall von Dieter Althaus hat die Diskussion um Sicherheit im Skisport angeheizt. Volle Pisten, hohes Tempo und untrainierte Fahrer sind die Risiken beim Skifahren.
Die große Winterparty oder eine gefährliche Sportart? Nach dem Unfall des Thüringischen Ministerpräsidenten wird wieder über die Helmpflicht diskutiert. Trotz besserer Ausrüstung und gut präparierter Pisten fährt das Risiko auf der Piste immer mit.
Wie hoch ist das Verletzungsrisiko?
Laut der izeitunfallstatistik des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV) haben sich im Jahr 2007 15,4 von 1000 Fahrern so verletzt, dass sie behandelt werden mussten, das ist ein Risiko von 0,15 Prozent. Michael Berner vom Deutschen Skiverband (DSV) nennt die Zahl 0,14 Prozent. Damit liegt Skifahren hinter Fußball, wo sich 20 von 1000 verletzen. Am gefährlichsten ist Snowboarden: 35,7 von 1000 brauchen danach einen Arzt.
Ist die Zahl der Verletzungen gestiegen?
In Österreich, dem Hauptziel der deutschen Skifahrer gibt es pro Saison rund 55000 Verletzte. In Deutschland verletzen sich etwa 43000 bis 45000 Skifahrer. Die Zahlen schwanken je nach Schneeverhältnissen. „Heuer war früh Schnee, bei uns ist viel los“, sagt Thomas Klestil, Unfallchirurg der Universitätsklinik Innsbruck, zur AZ. „Am vergangenen Samstag hatten wir in nur 24 Stunden 250 Patienten.“ Laut DSV ist das Verletzungsrisiko in den vergangenen 30 Jahren aber um 51 Prozent gesunken. Bessere Bindungen und bessere Pisten sind Gründe dafür.
Welche Verletzungen sind am häufigsten?
Knochenbrüche liegen an erster Stelle. Knieverletzungen machen laut einer Statistik der Stiftung Sicherheit ein Drittel aus, bei Frauen sogar die Hälfte. 10 Prozent sind Kopfverletzungen – da ist die Tendenz allerdings leicht steigend. „Wir stellen insgesamt fest, dass sich schwere Verletzungen an Kopf und Wirbelsäule häufen“ sagt Unfallchirurg Klestil. Dafür gibt es zwei Gründe:
Es fahren immer mehr Menschen Ski. „Skifahren ist in den vergangenen 15 Jahren zum absoluten Breitensport geworden“, sagt Klestil. Der Verband der deutschen Bergbahnen und Schlepplifte zählte im Jahr 1988 rund 2,3 Millionen Wintergäste, die in den Bergen transportiert wurden. Heute sind es 4,6 Millionen. Die technischen Veränderungen der Lifte tragen ebenfalls zum Andrang bei. „Es hat sich die Masse verlagert. Früher gab es lange Schlangen an den Liften“, sagt Klestil. Heute schaffen die modernen Lifte viel mehr Menschen schnell nach oben– und der Stau entsteht auf der Piste.
Wir fahren immer schneller. Die Skitechnik und die Pisten haben sich verbessert – und damit das Tempo, auch das der Anfänger. „Der klassische Drehbruch, wir er früher entstand, wenn man bei geringer Geschwindigkeit stürzte und der Ski erst spät aufging, ist rückläufig“, sagt Klestil. Heute ist das „Hochrasanz-Trauma“ typisch. Das heißt, der Fahrer prallt mit hoher Geschwindigkeit auf – auf die Piste, aufs Eis, oder gegen einen anderen Fahrer - das gibt schwere Verletzungen.
Was sind die Ursachen für Unfälle?
Statistiken gibt es darüber keine. Unfallchirurg Thomas Klestil: „Ich halte Selbstüberschätzung für das größte Problem. Viele unterschätzen die Anstrengung, sowohl im Herz-Kreislauf-Bereich als auch muskulär. Da schützen auch keine Helme oder Protectoren für die Wirbelsäule“, sagt er. „Außerdem spielt Alkohol auf der Piste eine große Rolle. Schon kleine Mengen schwächen die Koordination.“ Bernd Wolfarth, Sportmediziner der TU München, rät: „Am besten, man hält seinen Körper das ganze Jahr über fit. Wer fit und ausgeruht ist, fährt nicht nur besser, sondern kann auch in kritischen Situationen schneller reagieren.“
Brauchen wir eine Helmpflicht?
Althaus hat sein Helm wohl das Leben gerettet. „Rund 80 Prozent der Kopfverletzungen könnten durch einen Helm vermieden werden“, sagt Ursula Meissner vom KfV. Auch Ärzte empfehlen den Helm, der in jedem Fall die Schwere der Verletzung mindert. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse fordert eine Helmpflicht, zumindest für Kinder unter 14 Jahren, wie es sie in Italien gibt. Der DSV plädiert ebenfalls für Helme, lehnt aber ein Gesetz ab. „Der Helm sollte aus Überzeugung getragen werden, nicht aus Zwang“, sagt DSV-Sicherheitsexperte Andi König. „Wir müssen den Kindern mit gutem Beispiel vorangehen.“
Tina Angerer