»Ich wurde reingelegt: Felix ist ein Kuckuckskind«

Jedes zehnte Kind in Deutschland ist ein Kuckuckskind, so Studien. Das heißt, „Papa“ ist nicht der biologische Vater. Zum leichteren Nachweis der Vaterschaft hat der Bundestag gestern ein Gesetz verabschiedet. „Endlich“, so ein Betroffener aus Bayern. Was er durchgemacht hat, sagt er in der AZ.
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Zum leichteren Nachweis der Vaterschaft hat der Bundestag gestern ein Gesetz verabschiedet.
dpa Zum leichteren Nachweis der Vaterschaft hat der Bundestag gestern ein Gesetz verabschiedet.

Jedes zehnte Kind in Deutschland ist ein Kuckuckskind, so Studien. Das heißt, „Papa“ ist nicht der biologische Vater. Zum leichteren Nachweis der Vaterschaft hat der Bundestag gestern ein Gesetz verabschiedet. „Endlich“, so ein Betroffener aus Bayern. Was er durchgemacht hat, sagt er in der AZ.

AZ: Herr Nolte, Sie sind nach knapp sechs Jahren dahinter gekommen, dass Felix nicht Ihr Sohn ist. Was hat Sie misstrauisch gemacht?

THOMAS NOLTE: Lange gar nichts. Ich hatte mir so sehr einen Sohn, zwei, drei Kinder, gewünscht. Aber es klappte einfach nicht. Meine Frau hat etliche Ärzte konsultiert.

Sie nicht?

Ich habe vier ältere Geschwister, die alle Nachwuchs haben. Kein Gedanke, dass es an mir liegen könnte.

Nach fünf Ehejahren hat’s geklappt: Ihre Frau ist schwanger geworden.

Sie hat es mir an meinem 42. Geburtstag gesagt. Ich war so froh. Noch dazu hatten uns die Monate davor gebeutelt.

Warum?

Unsere Kinderlosigkeit machte uns immer mehr zu schaffen. Dazu der Autounfall meiner Frau, sie musste zwei Monate in die Reha.

Und danach kam Felix?

Es war wie ein kleines Wunder. Unsere Krise, alles schien vergessen. Als er auf der Welt war, haben wir uns bei seiner Betreuung abgewechselt. Er war unser Sonnenschein.

Wann zogen Schatten auf?

Es fing mit seinem Lockenkopf und den Grübchen im Kinn an. Niemand bei uns in der Familie hat das. Ist doch süß, sagte meine Frau.

Wie ging’s weiter?

Meine Schwester, die in Südamerika lebt, kam zu Besuch. Felix war vier, sie hatte ihn zuletzt als Baby gesehen. Sie wunderte sich, dass er mir gar nicht ähnlich sieht.

War Ihnen das auch schon aufgefallen?

Jein. In dem Alter verändern sich Kinder ja oft. Außerdem: Ich war so stolz auf Felix. Ich ließ keine Zweifel zu.

Später schon. Warum?

Ich hatte Probleme mit der Prostata, wurde mehrfach untersucht. Dabei kam heraus, dass ich kein Kind zeugen kann.

Haben Sie es gleich Ihrer Frau gesagt?

Nein, ich war so geschockt. Ich konnte mit niemandem darüber reden. Als ich gesundheitlich wieder fit war, hab ich mich in meinen Job vergraben, bin ihr und Felix aus dem Weg gegangen.

Und dann?

Sie dachte, ich hätte eine Andere und hat nachgehakt. Da habe ich ihr alles gesagt.

Wie hat sie reagiert?

Sie hat die Diagnose nicht geglaubt. Felix ist unser Kind, hat sie beteuert. Irgendwann konnten wir nur noch heulen.

Das hört sich fast wie ein neuer Anfang an. Sie aber haben einen heimlichen Vaterschaftstest gemacht.

Wir haben’s uns eine Weile schön geredet. Aber irgendwann wusste ich nicht mehr, was ich glauben sollte, brauchte Gewissheit.

Diese Tests waren lange umstritten.

Jeder gehörnte Mann hat das Recht auf Wahrheit. Gut, dass es jetzt das Gesetz gibt.

Sie wissen jetzt, wer der Vater von Felix ist.

Ein Mit-Patient meiner Frau, als sie in der Reha war. Eine Affäre, kurz bevor sie heimkam. Er ist verheiratet, weiß von nichts. Sie wollte – so wie ich anfangs – glauben, dass Felix mein Sohn ist.

Ist er das nicht dennoch?

Er ist ein Kuckuckskind. Die Schmach, nicht Vater werden zu können, und auch noch reingelegt worden zu sein, trennt uns. Darüber komme ich nicht hinweg, so sehr ich Felix vermisse. Ich bin in eine andere Stadt gezogen, die Scheidung läuft.

Interview: Renate Schramm

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