"Ich mache mich hübsch für meinen Mann": Das steckt hinter der "trad wives"-Bewegung

Kochen und putzen, während der Mann zur Arbeit geht. Was sich nach altbackener Rollenverteilung anhört, wird im Netz zelebriert. Die AZ hat mit einer Frau gesprochen, die so lebt.
von  Maximilian Neumair
Carolina Tolstik hat einen Nusszopf gebacken. Das und weitere Einblicke in ihren Alltag als "stay at home girlfriend"veröffentlicht sie auf ihrem Instagram-und Tiktok-Account.
Carolina Tolstik hat einen Nusszopf gebacken. Das und weitere Einblicke in ihren Alltag als "stay at home girlfriend"veröffentlicht sie auf ihrem Instagram-und Tiktok-Account. © Carolina Tolstik

München – Malischka bindet sich im Video eine Backschürze um. Währenddessen erscheint die Einblendung "Fünf Gründe, warum eine Freundin zu Hause bleiben sollte". Es folgen Bilder von Törtchen, einem Zopf, einem Zwetschgendatschi, einem Früchte- und einem Nusskuchen. Versehen ist der Instagram-Post unter anderem mit den Schlagworten "Hausfrau", "Backen macht glücklich" und "für ihn".

Unter dem Namen "Malischka" veröffentlicht Carolina Tolstik (27) regelmäßig Videos auf Instagram und Tiktok darüber, wie sie den Tag zu Hause verbringt. Sie kocht, backt, putzt, bringt den Müll raus. Sie selbst nennt sich "stay at home girlfriend" (zu Deutsch: Freundin, die zu Hause bleibt), ist aber Teil des Internetphänomens der "trad wives" (traditionelle Ehefrauen). Ein Trend aus den USA, der inzwischen nach Deutschland geschwappt ist - befeuert durch das zwangsweise Zuhausebleiben während der Corona-Pandemie. Das Kuriose dabei: Vor allem junge Frauen zelebrieren das Hausfrauen-Dasein.

"Viele versuchen, das in einen Topf mit der Hausfrau aus den 50er Jahren zu werfen. Der Unterschied ist: Wir können unseren Lebensweg so gestalten, wie wir es möchten", sagt Tolstik, die auf Mallorca lebt, zur AZ. "Wenn die Frau arbeiten möchte, geht sie arbeiten." Wer mehrere ihrer Videos schaut, bemerkt aber auch: Einiges ist überspitzt und mit einem Augenzwinkern gemeint. "Ich versuche zu unterhalten", stellt sie klar. "Aber vieles, was ich zeige, ist tatsächlich auch so."

"Von den Frauen wird erwartet, dass sie CEOs werden"

Dass Tolstik in Sommerkleidern statt Jogginghose den Haushalt schmeißt, hat seinen Grund: "Ich mache mich hübsch für meinen Mann. Es ist mir wichtig, dass man für sich selbst sorgt und damit die Partnerschaft am Leben hält." Zu ihren Videos bekomme sie zwar sehr viele Hasskommentare (überwiegend von Frauen), aber auch viel Zuspruch. Vor allem von Männern, die etwa "Traumfrau" oder "Da würde ich sofort einziehen!" kommentieren. Und auch von Frauen: Sie hat den Eindruck, dass viele das Leben, das sie in den Videos verkörpert, für ein "schönes Rollenbild" halten. "Von den Frauen wird erwartet, dass sie CEOs von irgendwelchen Firmen werden. Ich glaube, da gehen jetzt viele einen Schritt zurück und sagen: Ich möchte das nicht für mich selbst, sondern mich lieber um meine zwei Kinder kümmern."

Für Tolstik ist das feministisch. "Ich definiere Feminismus nicht als Anti-Männer-Bewegung, sondern als die freie Wahl zu entscheiden, was Frau im Leben machen möchte." Die Soziologin und Feminismus-Autorin Nadia Shehadeh sieht das ähnlich: "Man kann nicht sagen, Hausfrau zu sein ist automatisch antifeministisch", sagt sie der AZ. Feminismus heiße auch Wahlfreiheit. Shehadeh weist aber auch darauf hin, dass einige Strömungen der "trad wives"-Bewegung Komplizen einer rückwärtsgewandten Gesellschaftsentwicklung seien. Gerade in den USA führten viele dieses Leben aus "politisch-konservativen oder auch biblischen Motiven" heraus. In diesen Fällen gehe es auch immer mit Sexismus einher: Frauen sollten keinen eigenen Beruf haben, sich nicht mit Finanzen beschäftigen und dem Mann das Ruder überlassen. Auch Tolstik arbeitet mit klischeehaften Frauenbildern, wenn sie in ihren Videos etwa den berüchtigten 50er-Jahre-Werbespruch "Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll sie anziehen und was soll sie kochen?" zitiert.

Hausfrausein als Traumwelt

Das Phänomen allein darauf zu reduzieren, greift der Soziologin Shehadeh zufolge aber zu kurz: Es gehe vor allem um ein Gefühl der Sicherheit und den Wunsch nach weniger Erwerbsarbeit. 49 Prozent der Frauen, die Vollzeit arbeiten, wollen laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) weniger schuften. "Die Videos sprechen die Leute an, weil es eine Traumwelt ist: ein sorgloses Leben in den eigenen vier Wänden führen", sagt Shehadeh. Dieses werde ästhetisiert - das heißt, alles Unangenehme und Langweilige blenden die Instagram-Hausfrauen aus. "Man sieht die ,trad wives' nicht beim Kloputzen oder beim Schmodder aus dem Backofen kratzen", sagt Shehadeh. Das räumt auch Tolstik ein: "Das ist nur ein Bild auf Social Media. Die Realität sieht nochmal anders aus."

Zudem ist es ein Lebensstil, den sich im wahrsten Sinne nur die wenigsten leisten können. "Wenn wir uns die wirtschaftliche Entwicklung anschauen, gibt es der globale Norden nicht her, dass Frauen allesamt zu Hause bleiben und nicht mehr arbeiten", sagt Shehadeh. Laut dem Statistischen Bundesamt sind 46,8 Prozent der Erwerbstätigen Frauen. Eine Studie der Kreditkartenfirma Mastercard aus dem Herbst 2022 hat ergeben, dass etwa 30 Prozent der Frauen in Deutschland von sich selbst sagen, sie befänden sich in finanzieller Abhängigkeit. 82 Prozent davon glauben, niemals unabhängig werden zu können.

Diese Unfreiheit besteht bei den "trad wives" nur bedingt. Viele verdienen mit den Accounts ihr eigenes Geld. "Es ist letztendlich Werbung, die ein Lebensgefühl verkauft", sagt Shehadeh. Wenngleich Tolstik durch den Account, auf dem sie ihr Leben als Hausfrau filmt, nach eigenen Angaben kein Geld bekommt, hat sie ein Einkommen durch ihre Tätigkeit als "Content Creatorin" (jemand, der Inhalte für Soziale Medien erstellt) auf Tiktok und anderen Medien. Eine Welle an jungen Frauen, die wieder Hausfrauen werden möchten, erwartet Shehadeh aber nicht. Auch das IAB widerspricht dem Mythos einer "angeblich arbeitsunwilligen Generation Z". Die 50er kehren also nur im Internet zurück - mit rosarotem Filter.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.