„Ich besorge Ihnen jede Waffe, die Sie wollen“

Nach dem Attentat von Erfurt wurde das deutsche Waffengesetz zwar verschärft. Doch noch immer lassen sich Schusswaffen fast an jeder Ecke kaufen. Auch sonst wurde damals nach vielen Änderungen gerufen - passiert ist kaum was
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Blick in die Mündung: Die meisten Waffen sind illegal.
az Blick in die Mündung: Die meisten Waffen sind illegal.

BERLIN - Nach dem Attentat von Erfurt wurde das deutsche Waffengesetz zwar verschärft. Doch noch immer lassen sich Schusswaffen fast an jeder Ecke kaufen. Auch sonst wurde damals nach vielen Änderungen gerufen - passiert ist kaum was

Die Finnen haben die Konsequenz schon gezogen: Nach zwei Amokläufen mit insgesamt 20 Toten bekommt Finnland schärfere Waffengesetze. Künftig dürfen dort Schusswaffen nur noch an Käufer über 20 Jahre abgegeben werden – und nur unter verschärften Auflagen.

Auch in Deutschland wurde das Waffengesetz zuletzt zweimal verschärft. Grund war unter anderem der Amoklauf 2002 in Erfurt. Nach der Tragödie in Winnenden flammt die Diskussion nun erneut auf. Die AZ beantwortet wichtige Fragen zum Waffenrecht.

Was hat sich nach dem Erfurt-Attentat geändert?

Das Waffengesetz wurde zwar formal verschärft. Kritiker sagen aber: Die Änderungen fallen kaum ins Gewicht. So wurden 2003 so genannte Pump-Guns verboten. Außerdem ist das Vererben von Waffen schwieriger. „Fälle wie in Erfurt oder Winnenden lassen sich damit aber nicht verhindern, sagt Joachim Streitberger vom „Forum Waffenrecht“, dem Verband legaler Waffenbesitzer.

Wer darf in Deutschland Waffen kaufen?

Neben Militär und Polizei nur Personen, die eine Waffenbesitzkarte (WBK) oder einen Waffenschein haben. Eine WBK bekommt man meist erst mit 21 Jahren. Ausgegeben wird sie an Jäger, Sportschützen und gefährdete Personen – etwa Juweliere. Mit einer Waffenbesitzkarte darf man eine Waffe nur aufbewahren oder zu einem bestimmten Zweck benutzen – etwa zum Jagen. Nur wer einen Waffenschein hat, darf die Waffe schießbereit tragen. Das sind neben Wachpersonal nur wenige: „In Hamburg kommen auf 3000 legale Waffenbesitzer 30 sonstige Waffenschein-Inhaber“, so Streitberger.

Wie gut muss ein Waffenbesitzer die Waffen verwahren?

So, dass kein Unberechtigter drankommt. „Auch Frau und Kinder nicht – wenn sie keine Waffe besitzen dürfen“, sagt Streitberger. Die Waffe muss etwa in einem Tresor unzugänglich aufbewahrt werden. „Kommt ein Unberechtigter dran, ist der Waffenbesitzer haftbar“, so Streitberger. Wie es hieß, soll der Amokläufer von Winnenden eine Waffe seiner Eltern benutzt haben.

Ist es leicht, illegal an Waffen zu kommen?

„Viel leichter, als legal eine zu kaufen“, behautet Streitberger. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland gut sieben Millionen legale Schusswaffen – und gut 20 Millionen illegale. Sie würden zum Teil an Bahnhöfen von direkt aus dem Kofferraum verkauft, so Streitberger: „Wenn Sie mir 2000 Euro und acht Stunden Zeit geben, besorge ich Ihnen in jeder größeren deutschen Stadt jede Waffe, die Sie wollen.“

Welche Konsequenzen wurden aus Erfurt gezogen?

Nach dem Schulmassaker von Erfurt vor sieben Jahren war der Aufschrei groß: Sowas darf nie wieder passieren, Politiker überboten sich in Forderungen nach schärferen Gesetzen. Geändert hat sich seither allerdings nicht viel.

Zu wenig Schulpsychologen

Der damalige Innenminister Otto Schily sagte nach Erfurt: „Jede Schule braucht einen Schulpsychologen.“ Davon ist Deutschland bis heute weit entfernt – und steht international schlecht da: In den USA kommen 1300 Schüler auf einen Psychologen, in Italien 600 – und in Niedersachsen, dem Schlusslicht in Deutschland, 26 000. Selbst im Bundessiegerland Berlin sagt Schulpsychologe Klaus Seifried: „Wir erreichen zwei Prozent der Kinder.“

Altersgrenze bei Computerspielen

Geändert wurde auch der Zugang zu Gewalt-Computerspielen: Es gibt Altersfreigaben und Ausweispflicht. Ob dies im Zeitalter von Internet und CD-Brenner viel bringt, wird von Experten bezweifelt. Auch über einen besseren Schutz von Schulen wird damals wie heute diskutiert.

Schutz der Schulen

Wolfgang Bosbach (CDU): „Wir können die Schulen nicht zu Hochsicherheitstrakten ausbauen.“ Polizei-Gewerkschaftschef Konrad Freiberg sagt, man könne über eine Zugangssicherung reden. Er finde es aber wichtiger, wie der Amokläufer an die Waffen kam und ob es im Vorfeld Verhaltensauffälligkeiten gab. Familienministerin Ursula von der Leyen will stärker mit den Schulen reden: „Was sind die Muster? Was sind Auslöser?“

aja, tan

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