Hupen, granteln, simsen: So fahren wir Auto
Berlin - Letzens auf einem Parkplatz: Eine Frau rangiert hin und her. Vor, zurück. Und wieder von vorn. Einem wartenden Fahrer wird’s zu bunt, sein Gesicht verfärbt sich schnell rot. Und dann bricht es aus ihm heraus: "Da park’ ich ja mit einem Panzer ein!“ Eine Alltagsszene, die recht gut zu einer neuen Umfrage passt. Die hat ergeben:
Mehr als jeder dritte Autofahrer auf Deutschlands Straßen ist aggressiv unterwegs. Ermittelt haben das die Unfallforscher der Versicherer (UDV). Ihre Umfrage zur Stimmung auf Deutschlands Straßen im Überblick:
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Aggression am Steuer
Lichthupe, drängeln und rechts auf der Autobahn überholen – fast die Hälfte der Männer (44 Prozent) und mehr als ein Drittel der Frauen (39 Prozent) schätzt sich als "mindestens manchmal aggressiv“ ein. "Manchmal erzwinge ich mir die Vorfahrt“, sagen etwa ein Viertel der Männer und 15 Prozent der Frauen.
"Wenn vor mir ein Auto bummelt, muss ich drängeln, um vorbeizukommen“, findet sogar ein gutes Drittel der Männer und ein Viertel der Frauen. Am aggressivsten sind die Fahrer im Alter zwischen Mitte 20 bis Mitte 40. Und: Besonders rücksichtslos verhalten sich der Studie zufolge gut verdienende Akademiker.
Warum? "Ich denke, es sind Menschen, die es gewohnt sind, sich durchzusetzen. Und die Straße als ein Revier sehen, in dem sie sich durchzusetzen haben“, kommentiert Unfallforscher Siegfried Brockmann.
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Stress im Straßenverkehr
Rund die Hälfte der Befragten fühlt sich gestresst. Hohe Zustimmungswerte gibt es auch für "aufreibend“ und "erzeugt Druck“. Rund ein Drittel macht der Straßenverkehr generell "nervös“. "Verkehrsraum ist knapp geworden. Die wachsende Konkurrenz darum empfinden viele Verkehrsteilnehmer nicht als angenehm“, glaubt Forscher Brockmann.
Die Fakten dazu: 61,5 Millionen Kraftfahrzeuge waren im Januar hierzulande zugelassen – 1,5 Millionen mehr als vor zehn Jahren. Im Vergleich zu früher haben auch mehr einen Führerschein, 94 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen.
IMMER DIE ANDEREN
Kritikfähigkeit ist Autofahrern in Deutschland wenig gegeben. Zwar beobachten fast alle Befragten ein zu dichtes Einscheren anderer Autos oder dreistes Vorbeiziehen an Kolonnen. Aber nur ein Fünftel gibt zu, das auch schon einmal gemacht zu haben.
97 Prozent haben auch gesehen, wie Radfahrer zu dicht überholt werden. Aber 95 Prozent schwören, dass sie immer besonders viel Rücksicht auf Radler nehmen. Unfallforscher Brockmann erklärt sich diesen Widerspruch mit einer falschen Selbstwahrnehmung und einem unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten.
Im Übrigen: Dass die Selbstwahrnehmung, immer gut zu fahren, oft täuscht, zeigt die Unfallstatistik. Die meisten Crashs bauen nach der Umfrage jene Autofahrer, die besonders rücksichtslos unterwegs sind. Sie kassieren auch die meisten Strafen bis hin zu Fahrverboten. "Es trifft die Richtigen, aber die Strafen führen nicht zu einem weniger riskanten Verhalten.“
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Mehr SICHERHEIT
Ein positives Ergebnis: Im Vergleich zu 2010 fühlen sich deutlich mehr Menschen im Verkehr sicher. Der Wert stieg von gut der Hälfte der Befragten auf fast zwei Drittel. Das überrascht auch die Unfallforscher. Sie erklären sich den Zuwachs vor allem durch Frauen. "Da sitzt eine neue Frauengeneration am Steuer, die das Fahrzeug selbstbewusst führt“, sagt Brockmann.
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HANDY AM STEUER
Im Vergleich zu 2010 bekennen sich deutlich weniger Autofahrer zum Handy am Steuer. 80 Prozent geben an, niemals ohne Freisprechanlage zu telefonieren. Und nur fünf Prozent geben zu, bei der Fahrt SMS oder E-Mails zu lesen. Forscher Brockmann glaubt aber nicht an den großen Bewusstseinswandel. "Das hat mit der Realität wenig zu tun“, betont er. "Wir halten das für einen Effekt von sozialer Erwünschtheit bei Befragungen.“
Fahrtauglichkeitstest für SENIOREN
Mehr als zwei Drittel der Befragten sprechen sich für einen Fahrtauglichkeitstest ab 75 Jahren aus. Einzig die Senioren stimmen in der Verkehrsklima-Umfrage solchen Vorschlägen nicht zu.
Die Umfrage zum Verkehrsklima fand von März bis April 2016 statt. Repräsentativ befragt wurden per Telefon und online insgesamt 2.061 Menschen zwischen 18 bis 93 Jahren.
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