Hungersnot: Die wahre Krise
BERLIN - Fast eine Milliarde Menschen ist dem Hungertod nahe - Hilfe für sie würde nur ein Bruchteil von dem kosten, was jetzt zur Rettung der Banken gezahlt wird.
Es sind geradezu Peanuts – im Vergleich zu den Summen, die jetzt weltweit aufgewendet werden, um die Banken aus ihrem Schlamassel zu ziehen: 10 Milliarden Euro würde für ein Rettungspaket gegen den Hunger auf der Welt benötigt. Das hat Ingeborg Schäuble, Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe bei der Vorstellung des Welthunger-Index 2008 gefordert. Die Fakten sind alarmierend: Die Zahl der Hungernden ist von 848 auf 923 Millionen Menschen gestiegen. Das heißt, jeder siebte Mensch muss abends hungrig zu Bett gehen. In sieben Ländern – alle in Afrika südlich der Sahara gelegen – ist die Situation „sehr gravierend“, sagte Ingeborg Schäuble, die Frau des Bundesinnenministers.
Und die Politikergattin sprach Klartext: „Fast eine Milliarde Hungernde sind eine Schande für die Menschheit. Im Gegensatz zu den Banken sind sie nicht selbst schuld an ihrer Misere. Das allgemeine Umdenken über die Rolle des Staats und der internationalen Gemeinschaft, das durch die Finanzkrise eingesetzt hat, muss sich auch auf die Hungerkrise erstrecken.“ Das von ihr geforderte Rettungspaket müsste für die Förderung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländer und die Schaffung fairer Handelsbedingungen eingesetzt werden. Zu Hungernden zählen nach den Kriterien der Welthungerhilfe und des Forschungsinstitut für Ernährungspolitik alle Menschen, die nicht ausreichend Kalorien zu sich nehmen können oder unterernährt sind. Außerdem werden erfasst alle untergewichtigen Kinder unter fünf Jahren und Kinder die verhungert sind.
Verschärft wird die Situation seit einigen Jahren durch die extrem gestiegenen Lebensmittelpreise. Ingeborg Schäuble: „Ihr weltweite Index ist 2006 um neun Prozent, vergangenes Jahr um 23 Prozent und allein von Mai 2007 bis Mai 2008 um mehr als 50 Prozent gestiegen.“ Was es für die Ärmsten der Armen bedeutet, wenn sich in den letzten vier Jahren der Preis für Weizen und Geflügel verdoppelt, für Mais verdreifacht und für Reis sogar vervierfacht hat, ist unschwer vorstellbar. Wenn die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse einigermaßen stabilisiert werden können, kann es Staaten aber auch gelingen, aus dem Würgegriff des Hungers herauszukommen: So haben Kuwait, Peru, Syrien, Türkei und Mexiko seit 1990 große Fortschritte bei der Reduzierung der Hungersnot gemacht.
Die Gegenbeispiele: In der Demokratischen Republik, in Nordkorea, Swasiland, Guinea und Simbabwe werden wesentlich mehr Hungernde als 1990 gezählt, am schlimmsten ist es im Kongo.
Michael Heinrich
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