Hunderte trauern um totgeprügelten Streitschlichter

Unter großem Polizeischutz haben am Samstag Hunderte Menschen im niedersächsischen Kirchweyhe mit einer Trauerfeier eines zu Tode geprügelten 25-Jährigen gedacht. Auch wenige Rechtsextreme waren erschienen.
dpa |
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Unter großem Polizeischutz haben am Samstag Hunderte Menschen im niedersächsischen Kirchweyhe mit einer Trauerfeier eines zu Tode geprügelten 25-Jährigen gedacht. Auch wenige Rechtsextreme waren erschienen.

Kirchweyhe - Etwa 1500 Menschen – darunter rund 25 Anhänger der rechtsextremen Szene – haben im niedersächsischen Kirchweyhe mit einer Trauerfeier eines zu Tode geprügelten 25-Jährigen gedacht. „Die Tat offenbart eine Brutalität, die unerträglich ist“, sagte Bürgermeister Frank Lemmermann (SPD) bei der Mahnwache am Tatort am Bahnhof der Gemeinde, die rund 30 000 Einwohner zählt. Ein großes Polizeiaufgebot schützte die Veranstaltung am Samstag, weil zwei rechte Gruppierungen zuvor vergeblich versucht hatten, zeitgleiche Versammlungen in dem Ort im Landkreis Diepholz anzumelden.

Trotz der strengen Polizeikontrollen hatten sich dennoch einige - laut Polizei „offenkundig erkennbare“ Rechtsextreme unter die Trauergäste gemischt. Bis zum Nachmittag seien mindestens zwei Menschen in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Sprecher. Zudem hätten die Beamten die Personalien von rund 25 Personen aufgenommen. Ungeachtet dessen blieb es bei der Trauerfeier zunächst friedlich.

„Unser Mitgefühl gilt der Familie von Daniel, seinen Freunden und allen die ihn liebhatten“, sagte Lemmermann. Weyhe sei über Nacht ein anderer Ort geworden. „Es ist kein deutsch-türkisches Problem“, betonte er. Lemmermann rief die Menschen auf, nicht gleich wieder zur Tagesordnung überzugehen. „Wir sind hier, weil wir nicht akzeptieren wollen, dass Menschen so brutal miteinander umgehen.“ Der 25-Jährige hatte am vergangenen Wochenende versucht, einen Streit zu schlichten und war daraufhin angegriffen worden. Am Donnerstag ist er an seinen Verletzungen gestorben. Ein 20-Jähriger mit türkischem Migrationshintergrund sitzt seither wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft.

Der 25-Jährige sei ein Zufallsopfer, sagte Bernd Kittelmann, Leiter der Polizeidirektion Diepholz. Nach einem Streit in einem Bus auf der Rückfahrt von einer Diskothek sei der 20-Jährige als erster ausgestiegen. Dessen Gewaltausbruch habe sich gegen den unmittelbar folgenden Fahrgast gerichtet – und das sei der 25-Jährige gewesen. Der mutmaßliche Täter war bereits früher mit Gewalttaten aufgefallen.

Mit Kontrollen an Zufahrtsstraßen und Bahnhöfen verhinderte die Polizei, dass Rechtsextreme die stille Gedenkfeier in größerem Umfang stören konnten. Rund ein Dutzend Personen aus der rechten Szene wurden angehalten. Sie hätten dann auf die Weiterfahrt nach Kirchweyhe, einem Ortsteil von Weyhe, verzichtet, sagte Kittelmann.

Für Sonntag hatte die NPD eine Kundgebung am Tatort angemeldet, die von der Gemeinde aber am Freitag untersagt wurde. Ob die Partei dagegen gerichtlich vorgeht, blieb am Samstag zunächst unklar.

Bürgermeister Lemmermann forderte die Anwesenden auf, am Sonntag wieder zu einer Mahnwache zu kommen, um den Gedenkort nicht den Rechten zu überlassen. Kittelmann machte klar, dass die Polizei eine verbotene Versammlung auf jeden Fall verhindern werde.

Pastor Holger Tietz, der für den runden Tisch der Gemeinde gegen Rechts und für Integration sprach, appellierte, die Tat richtig einzuordnen. Sie sei ein Verbrechen, das nichts mit der Herkunft von Opfer und Täter zu tun habe. „Es ist abscheulich, wie man das Opfer verunglimpft in übelster Art und Weise.“ Tietz reagierte damit auf zahlreiche Veröffentlichungen im Internet, in denen dem Opfer ein Bezug zur rechten Szene unterstellt wurde.

Die Staatsanwaltschaft hatte solche Darstellungen in den vergangenen Tagen bereits zurückgewiesen. Das Verbrechen dürfe auch nicht für ausländerfeindliche Stimmungsmache missbraucht werden, forderte Tietz. Lemmermann sagte über Daniel: „Nach den Informationen die ich habe, war er ein guter Junge, er war kein Nazi.“

Der Bürgermeister sagte der Familie des Opfers, einer alleinerziehenden Mutter sowie Geschwistern, die Hilfe der Gemeinde zu. Spenden sollen über die Gemeinde weitergeleitet werden.

 

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