Horst Schlämmer nuschelt sich zum Kanzleramt

„Isch kandidiere“: Der Komiker Hape Kerkeling will mit seiner Kunstfigur Horst Schlämmer Bundeskanzler werden – und hält Politik und Medien dabei gnadenlos den Spiegel vor
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„Isch kandidiere“: Der Komiker Hape Kerkeling will mit seiner Kunstfigur Horst Schlämmer Bundeskanzler werden – und hält Politik und Medien dabei gnadenlos den Spiegel vor

BERLIN Auch das noch: Horst Schlämmer will Bundeskanzler werden. Pünktlich zum Auftakt der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs hat am Dienstag in Berlin auch der Komiker Hape Kerkeling in seiner Paraderolle als schmieriger Journalisten Schlämmer seinen Hut in den Ring geworfen – natürlich nur im Spaß. Die Pressekonferenz, die eigentlich als große PR-Veranstaltung für Kerkelings nächsten Kino-Film „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ gedacht war, erwies sich als köstlich-komische, aber auch erschütternde Verhohnepiepelung des politisch-medialen Komplexes in der Hauptstadt.

Der Nachrichtensender „n-tv“ etwa, der sich noch am Montagabend bei der wirtschaftspolitischen Grundsatzrede des echten SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier nach 15 Minuten ausgeblendet hat, überträgt die gesamte Schlämmer-Pressekonferenz in voller Länge – 45 Minuten lang. Selbst als der Flugzeugabsturz in Thailand über die Ticker läuft, blendet der Sender nicht aus, sondern lässt die Nachricht nur über ein Laufband flimmern. Schlämmer geht vor.

Kongenial verkörpert Kerkeling die Kunstfigur eines schwabbeligen stellvertretenden Chefredakteurs des „Grevenbroicher Tagblatts“, der gerne über „Rücken, Kreislauf und Schnappatmung“ klagt und zu dessen Markenzeichen der grau-beige Trenchcoat, eine Herrenhandtasche, ein Schnauzbart sowie gelbe Zähne mit Überbiss gehören. Die Schauspielerin Alexandra Kamp, die Schlämmers „First Lady“ spielt, säuselt: „Horst ist ein Tiger. Er hat so einen unglaublich herben männlichen Duft, dem man einfach nicht widerstehen kann.“

Er habe jetzt höhere Ambitionen, nuschelt Schlämmer in der Pressekonferenz und trompetet: „Ich will Bundeskanzler werden.“ Als Wahlziel für seine Horst-Schlämmer-Partei (HSP) gibt er „37 Prozent plus X“ aus. Der Komiker und Bestseller-Autor („Ich bin dann mal weg“) zieht die politische Rhetorik von Partei-Apparatschiks à la Pofalla und Heil durch den Kakao, indem er sinnfreie Politfloskeln vorträgt wie: „Die HSP, das will ich ganz klar und dezidiert sagen, steht für Gerechtigkeit. Kinder sind unsere Zukunft. Integration ist das A und O. Wir stehen für eine Politik der Ehrlichkeit.“ Und die Schweinegrippe? „Gibt’s mit uns nicht, ein ganz klares Nein!“

Seine Partei, die in den letzten Wochen vor allem über das Internet 36000 Unterstützer gewonnen hat, sei „konservativ, liberal und links“. Da man die Ökologie im Programm vergessen habe, wolle die HSP, die ein ockerfarbenes Logo hat, nach der Wahl mit den Grünen koalieren: „Das wird die Fango-Koalition. Und Claudia Roth wird Außenministerin.“ Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bekommt sein Fett weg, in dem sich Schlämmer über dessen Deutschland-Plan lustig macht: „Ich verspreche, dass ich vier Millionen neue Arbeitsplätze nicht schaffe“, zischt er. „Sollte ich es wider Erwarten doch schaffen, können Sie mich abwählen.“

Kerkeling gibt freilich auch den Medienkritiker, hält den in Scharen angerauschten Hauptstadtjournalisten gnadenlos den Spiegel vor. So wendet sich Schlämmer an den mit superwichtiger Miene im Publikum sitzenden Leiter des ARD-Hauptstadtstudios: „Herr Sonne, wollen Sie nichts fragen? Die anderen hier sind alle Boulevard, aber Sie sind so ernst, so kritisch. Soll ich Sie vielleicht etwas fragen, Herr Sonne?“ Eine junge Praktikantin wiederum, die sich kieksend und rehäugig als Mitarbeiterin des Radiosenders „94,3 RS 2“ vorstellt, geht Schlämmer mit von ekligen Schnarchgeräuschen durchsetztem Altherrenhumor an: „Wat, du hast 94? Hätt’ ich gar nicht gedacht.“

Und als der Redakteure einer Lifestylezeitschrift Schlämmer fragt, ob der sich in seinem Kabinett denn einen offen schwulen Minister vorstellen könne, antwortet der bekennende Schwule Hape Kerkeling trocken: „Weisse, politisch find’ ich Homosexualität absolut ok, aber privat find ich das widerlich.“Markus Jox

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