Horror-Herberge von Jersey: 150 Opfer melden sich

Die Berichte über sexuellen Missbrauch von Mädchen und Jungen auf der britischen Kanalinsel verdichten sich zu einem Bild des Schreckens. Außerdem haben die Leichenspürhunde wieder angeschlagen.
In Kinderheimen auf der britischen Kanalinsel Jersey sind jahrelang Mädchen und Jungen gequält und vergewaltigt worden. Davon berichten Betroffene. Mindestens sechs Kinder könnten in einem Heim auf Jersey sogar ermordet worden seien, befürchtet die Polizei, die ihre Ermittlungen am Mittwoch nach neuen Hinweisen mutmaßlicher Opfer ausdehnte.
Nachdem am Wochenende in dem ehemaligen Heim «Haut de la Garenne» in der Ortschaft St. Martin auf Jersey das im Keller verscharrte Skelett eines Kindes entdeckt worden war, wurden jetzt weitere Aussagen über grausamen sexuellen Missbrauch von Mädchen und Jungen in der Einrichtung bekannt. Die Suche nach weiteren Leichen im Keller des Hauses, das heute eine Jugendherberge ist, verzögerte sich derweil wegen Einsturzgefahr.
?Vergewaltigungen an der Tagesordnung?
Systematisch seien in dem Heim ältere Kinder von Angestellten angestachelt worden, Jüngere anzugreifen und zu vergewaltigen, berichtete der heute 59-jährige Peter Hannaford. Er selbst sei als Heimkind mit zwölf Jahren «fast jede Nacht» Opfer solcher Gewalttaten geworden. Andere Zeugen berichteten, wie sich Heim-Mitarbeiter bei Partys betranken und dann Kinder missbrauchten. «Vergewaltigungen von Mädchen ebenso wie Jungen in allen Altersgruppen waren an der Tagesordnung», sagte eine 49 Jahre alte ehemalige Heimbewohnerin aus.
Insgesamt hätten sich inzwischen mehr als 150 mutmaßliche Opfer und Zeugen von Vergewaltigungen gemeldet, die bis Anfang der 60er Jahre zurückreichen sollen, hieß es bei der Polizei. Mit der Entdeckung weiterer Kinderleichen werde gerechnet, nachdem speziell abgerichtete Spürhunde angeschlagen hätten. Mehrere ehemalige Heimangestellte wurden festgenommen und werden weiter befragt.
Angst vor den Erinnerungen
«Dies sind sehr, sehr traumatische Vorfälle. Viele Menschen, die uns in den letzten Tagen kontaktiert haben, wollten dies vorher nicht tun, weil sie Angst vor ihren Erinnerungen hatten», sagte der stellvertretende Polizeichef von Jersey, Lenny Harper. Mehrere ehemalige Heimangestellte waren in den letzten Tagen festgenommen worden und sollten weiter befragt werden. Harper betonte, die Polizei gehe nicht davon aus, dass es sich um einen «organisierten Ring» von Kinderschändern gehandelt habe.
Neue Hinweise auf Gewalttaten
Mutmaßliche Missbrauchopfer berichteten auch von gewalttätigen Übergriffen auf Kinder in einem anderen Heim auf Jersey. In «Les Chennes» seien Minderjährige sadistisch gequält worden, erklärte eine 38-jährige Frau, die vom 13. bis zum 16. Lebensjahr in der Einrichtung war. Die Polizei in der südenglischen Grafschaft Hampshire teilte mit, dass sie neue Hinweise auf sexuelle Gewalttaten in einem Heim in der Hafenstadt Portsmouth erhalten und deshalb eine ältere Untersuchung wieder aufgenommen habe. Diese Ermittlungen waren 1996 eingestellt worden, nachdem die 17 des Missbrauchs beschuldigten Mitarbeiter des Heims gestorben waren. (dpa)