Herausragende Forscherinnen: "Frauen, die die Wissenschaft veränderten"

In der Vergangenheit haben oft Männer mit ihren Entdeckungen geglänzt. Frauen dagegen gerieten in den Hintergrund. Ein Buch schenkt nun genau ihnen das Rampenlicht: Herausragenden Forscherinnen.
von  Rosemarie Vielreicher
Ein Monument für Maria Cunitz in Polen.
Ein Monument für Maria Cunitz in Polen. © imago images/BE&W

Frauen sollen forschen, sich an die Wissenschaft herantrauen. Das wird seit Jahren forciert, Stichwort: Mint-Berufe und Girls' Day. Vielleicht würden sich noch mehr Frauen für Naturwissenschaften entscheiden, wenn sie mehr Vorbilder hätten.

Doch wer sich mit Wissenschaftlerinnen beschäftigt, stößt erst einmal auf: Lücken. So beschreiben es die Autorinnen Anna Reser und Leila McNeill in ihrem Buch "Frauen, die die Wissenschaft veränderten".

Historische Forscherinnen seien wenig manifestiert. Die beiden Amerikanerinnen wollen das ändern. Bis zurück zur Antike zeigen sie, welche Beiträge Frauen für unterschiedliche Disziplinen geleistet haben. 

Los geht's in der Antike

Der Startpunkt: Mesopotamien. Die Frau, um die es dabei geht, ist die Priesterin En-hedu-anna (um 2285 bis 2250 v. Chr.). Sie analysierte die Mondphasen. "Wissenschaftsgeschichtlich belegen diese Funde, dass die Beobachtung der Natur schon in den frühesten menschlichen Kulturen nicht allein Männersache war.

Frauen waren schon immer mit der Natur vertraut", heißt es im Vorwort des Buches. Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass En-hedu-anna die Tochter des Königs Sargon war. Aber die Bühne gehört an dieser Stelle ja den Frauen.

Vermutlich praktizierten bereits viele Frauen Naturwissenschaften

Ebenfalls eine historische (und nachweisbare) Forscherin ist die Mathematikerin Hypatia (um 335 bis 405 n. Chr.). Mit nur 30 Jahren leitete sie die neuplatonische Schule in Alexandria. Die Autorinnen glauben: "Es ist wahrscheinlich, dass es viele Frauen gab, die Astronomie praktizierten, Mathematik lernten und lehrten und sich intensiv mit Philosophie beschäftigten, von denen sich jedoch keine Aufzeichnungen über ihr Leben erhalten haben."

Und: "Statt einfach zu akzeptieren, dass es Bereiche gibt, in denen Frauen nicht auftauchen, sollten wir fragen, warum sie dort nicht zu finden sind und wer ihnen den Zugang verweigert hat." Ein spannendes Buch, mit Herz und Wissen. Von Frauen, über Frauen, für Frauen. Und freilich für Männer!

Maria Cunitz: Sie verbessert Keplers Theorie

Maria Cunitz wird zwischen 1600 und 1610 in Schlesien geboren, so genau ist dies nicht überliefert. Eine richtige Ausbildung bekam die spätere Astronomin nicht, ihr Vater unterrichtete sie daheim.

Auch ihr späterer Mann Elias von Löwen brachte ihr dem Buch zufolge Mathematik und Astronomie-Kenntnisse bei. Sie sprach sieben Sprachen - fließend. 1650 veröffentlichte Cunitz auf eigene Kosten ihr Werk "Urania Propitia" - 250 Seiten mit komplizierten astronomischen Berechnungen.

Sie bezog sich dabei auf die Arbeit von Johannes Kepler, der elliptische Bahnen von Planeten nachgewiesen hatte. "Trotz ihres Festhaltens an der Keplerschen Astronomie fand Cunitz Fehler in dessen Rudolfinischen Tafeln von 1627, einer Sammlung von Sternen, Planetentafeln und Anweisungen zur Berechnung von Planetenpositionen", heißt es im Buch - sie korrigierte diese und vereinfachte seine Berechnungen.

Plus: Ihre Ausführungen erschienen nicht nur auf Latein, sondern auch auf Deutsch - auch für weniger Gebildete lesbar. Der Astronom Jean-Baptiste Joseph Delambre nannte Cunitz eine "zweite Hypatia". Sie hat auch eine himmlische Ehrung erhalten: Der Asteroid Mariacunitia wurde nach ihr benannt, ebenso der Cunitz-Krater auf der Venus.

Jeanne Baret: Sie muss sich als Mann verkleiden

Eine Darstellung von Jeanne Baret.
Eine Darstellung von Jeanne Baret. © imago/Leemage

Im Jahr 1766 stach eine Frau von Nantes aus in See, um an einer Entdeckungsreise für König Ludwig XV. teilzunehmen - doch das wusste niemand, denn sie verkleidete sich als Mann. Der vermeintliche Diener des Naturforschers Philibert Commerson war in Wirklichkeit nicht Jean Baret (1740 - 1807), sondern hieß Jeanne. Das Problem wird im Buch so geschildert: "Die französische Marineverordnung von 1689 verbot es Frauen, sich längere Zeit an Bord von Marineschiffen aufzuhalten."

Als Mann verkleidet überquerte sie den Pazifik

Die einzige Lösung: sich als Mann ausgeben. Die Autorinnen schreiben über sie: "Im Rahmen der Expedition überquerte Baret den Pazifik und besuchte Orte, die kaum eine europäische Frau je betreten hatte, schon gar nicht eine Frau, die wie Baret aus der Arbeiterklasse stammte." Bei der Exkursion sammelte sie Pflanzen- und Tierexemplare "aus der ganzen Welt von Rio de Janeiro bis Madagaskar zusammen".

Ihre falsche Identität muss irgendwann auf der dreijährigen Reise aufgeflogen sein - erst wurde sie dafür kritisiert, am Ende bezahlte ihr die königliche Marine ab 1785 200 Livre Pension pro Jahr. Und sie bekam den Titel: "Femme extraordinaire".

Dorothea Erxleben: Erste Frau mit Medizin-Abschluss

Erxleben auf einer Briefmarke.
Erxleben auf einer Briefmarke. © imago/Schöning

Dorothea Erxleben (1715-1762) aus Quedlinburg war in Deutschland die erste Frau, die einen medizinischen Universitätsabschluss hatte. Als Kind wurde sie daheim unterrichtet, sie bestand darauf, das gleiche Wissen wie ihr Bruder vermittelt zu bekommen. Später arbeitete sie in der Arztpraxis ihres Vaters mit. Um selbst studieren zu können, kontaktierte sie sogar den König von Preußen.

Ihre Abhandlung über institutionelle und kulturelle Barrieren, die Frauen an Bildung hinderten, erschien 1742. Tatsächlich wurde sie zur Uni zugelassen, jedoch kam der preußisch-schlesische Krieg dazwischen. In dieser Zeit führte sie die Arztpraxis ihres Vaters. Nach dessen Tod übernahm sie sie und zog gleichzeitig ihre Kinder groß. Mit 37 Jahren setzte sie ihr Studium fort. Erst 1754 bekam sie auch die Möglichkeit, den Doktortitel zu erlangen - nachdem sie von drei Ärzten aus Quedlinburg der "Quacksalberei" beschuldigt worden war.

Dieses Symbolbild zeigt eine denkende Frau - in bunter Vielfalt.
Dieses Symbolbild zeigt eine denkende Frau - in bunter Vielfalt. © imago images/Panthermedia

Tilly Edinger: Ihr Spezialgebiet - fossile Gehirne

Tilly Edinger (1897-1967) arbeitete zunächst als Kuratorin für Wirbeltierfossilien am Senckenberg-Naturmuseum in Frankfurt am Main. Doch als Jüdin war sie ständig in Gefahr durch den aufkeimenden Nationalsozialismus: "Sie versuchte, sich so unsichtbar wie möglich zu machen, indem sie durch die Seitentür des Museums eintrat und das Namensschild an ihrem Büro entfernte", schreiben die Autorinnen über sie.

Zudem entwickelte sie eine Erkrankung des Innenohrs und wurde schleichend taub. An Besprechungen habe sie deswegen nicht mehr teilgenommen, da sie Angst hatte, entdeckt zu werden, wenn sie aufgrund ihres Hörens ganz vorne Platz nehmen würde. Sie begründete dennoch das Teilgebiet der Paläoneurologie, es umfasst die Erforschung von Abdrücken fossiler Gehirne. Nach ihrer Flucht aus Deutschland wurde sie US-Bürgerin - denn ihre geliebte Tante in Frankfurt hatte sich das Leben genommen und ihr Bruder kam im KZ ums Leben.

Peseschet: Ärztin im Alten Ägypten

Schon aus dem Alten Ägypten gibt es Aufzeichnungen, dass Frauen als Medizinerinnen arbeiteten und damit ihr Geld verdienten. Eine von ihnen: Peseschet. Von ihr wurde eine Stele im Grab des Beamten Achethotep in Gizeh gefunden. Gelebt hat sie in der 6. Dynastie im Alten Reich (2465-2150 v. Chr.). Auf der Stele: eine Inschrift, die übersetzt werden kann als "Chefärztin" oder "Leiterin der Ärztinnen".

Das Buch "Frauen, die die Wissenschaft veränderten" ist seit Montag erhältlich.
Das Buch "Frauen, die die Wissenschaft veränderten" ist seit Montag erhältlich. © Haupt Natur

Historiker gehen laut dem Buch "Frauen, die die Wissenschaft veränderten" davon aus, "dass es möglicherweise reine Frauengruppen von Ärzten gegeben hat, denen Peseschet vorstand". Dass Frauen damals vor allem für Frauenheilkunde zuständig waren, belegen entdeckte Papyri. Ein beschriebener Eingriff: Um eine Schwangerschaft festzustellen, konnte der Urin getestet werden, "indem dieser auf Gersten- und Emmer-Samen geträufelt wurde, um zu sehen, ob die Samen keimten".


Anna Reser, Leila McNeill: "Frauen, die die Wissenschaft veränderten. Von der Antike bis zur Gegenwart"; Haupt Natur, 36  Euro

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