Helmpflicht beim Radeln: Am Dienstag Urteil

Radlerin knallt gegen Autotür. Weil sie keinen Helm trug, soll sie eine Mitschuld tragen. Dagegen klagte die Frau. Am Dienstag entscheidet der Bundesgerichtshof.
Kassel - Helm oder nicht? Besorgte Eltern erinnern ihre Kinder täglich daran, Freizeitradler verzichten dagegen meist auf den Kopfschutz. Klar ist: Eine Helmpflicht besteht für Radfahrer in Deutschland nicht. Doch sie könnte quasi durch die Hintertür kommen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheidet am Dienstag, den 17. Juni,, ob Radfahrer nach einem eigentlich unverschuldeten Unfall eine Mitschuld an eigenen Verletzungen treffen kann, wenn sie keinen Helm getragen haben.
Konkret geht es um einen Fall aus dem Frühjahr 2011. Eine Physiotherapeutin war mit dem Fahrrad auf dem Weg zu ihrer Praxis an der Flensburger Förde. Plötzlich öffnete sich die Tür eines parkenden BMW. Die 58-Jährige hatte keine Chance mehr auszuweichen.
Sie fuhr gegen die Tür, stürzte und schlug mit ihrem Hinterkopf auf dem Boden auf. Zweifacher Schädelbruch, Blutungen und Hirnquetschungen waren die Folge. Die Schuldfrage war schnell geklärt. Die BMW-Fahrerin hätte schauen müssen, ehe sie die Autotür öffnete.
Lesen Sie hier: Verkehrsminister gegen Helmpflicht
Und dennoch: Für die Folgekosten des Unfalls will die Versicherung der Autofahrerin nur teilweise aufkommen. Weil sie keinen Schutzhelm getragen habe, treffe die Radfahrerin ein hälftiges Mitverschulden an ihren eigenen Kopfverletzungen.
Auch nach Überzeugung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig war „das Nichttragen eines Schutzhelms“ ursächlich für das Ausmaß der Kopfverletzungen. Nach heutiger Anschauung sei davon auszugehen, „dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird“.
Im konkreten Fall der Physiotherapeutin setzte das OLG die Mitschuld auf immerhin 20 Prozent fest. Bundesweit sind sich die Instanzgerichte in dieser Frage uneins. Das OLG Schleswig war allerdings das erste Obergericht, das einer Radfahrerin eine Mitschuld zuschrieb.
Was heißt das Urteil für die Haftpflichtversicherung?
Heute wird der BGH den Streit höchstrichterlich klären. Folgen die Karlsruher Richter dem OLG Schleswig, könnten die Haftpflichtversicherer einen Teil ihrer Kosten an die gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung weiterreichen.
Dennoch hält sich die Versicherungswirtschaft im Helmstreit eher bedeckt. „Aus Sicht der Unfallforschung sind Helme sinnvoll und in vielen Fällen lebensrettend, deshalb empfehlen wir das Tragen eines Radhelms“, heißt es zurückhaltend beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin.
Eindeutig dagegen die Position des Radler-Verbandes ADFC: Der Verband hat die Revision der Radlerin unterstützt. „Der ADFC hält das Schleswiger Urteil für falsch – und erwartet, dass der BGH eine Mitschuld der Radfahrerin ablehnt“, erklärte die Organisation in Berlin.
Jemandem eine Mitschuld aufzubürden, der eigentlich keine Mitschuld trägt, sei „paradox“. Gegen eine Helmpflicht ist auch Verkehrsminister Dobrindt (CSU). „Die Einführung einer Helmpflicht steht für mich derzeit nicht zur Debatte", sagte er dem „Focus“.