Heim, Umbau, Kosten: Der große Pflege-Report

Ins Heim? Wollen viele alte Menschen nicht mehr. 1,87 Millionen Männer und Frauen werden daheim von der Familie gepflegt – im Schnitt 6,7 Jahre lang.
von  Irene Kleber
Mit einem Rollator, einer altengerechten Wohnung und netter Hilfe kann man auch im Alter noch lange daheim leben.
Mit einem Rollator, einer altengerechten Wohnung und netter Hilfe kann man auch im Alter noch lange daheim leben. © DKV Deutsche Krankenversicherung AG/ERGO Versicherungsgruppe

München - Nicht mehr aufstehen können. Nicht mehr allein essen oder auf die Toilette können. Ans Bett gefesselt sein – und darauf warten, dass der Partner, die Kinder oder bezahlte Pfleger zu Hilfe kommen. Das ist ein Schicksal im Alter, auf das sich immer mehr Deutsche gedanklich einstellen müssen.

Denn wenn die Prognosen stimmen, steigt die Zahl der künftig Pflegebedürftigen rasant: 2060 (wenn also die heute 35-Jährigen 80 Jahre alt sind) werden geschätzt 4,52 Millionen Männer und Frauen in Deutschland gepflegt werden müssen.

Das sind 221 000 Menschen mehr, als bislang erwartet. Der Großteil davon (176 000) werden Männer sein. So jedenfalls errechnet es der neue "Barmer GEK Pflegereport 2015"

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IN WELCHEM ALTER DROHT DIE PFLEGE?

Je älter ein Mensch wird, desto größer ist – naturgemäß - die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Pflegefall wird. Laut der Studie wird vor allem der Anteil hochbetagter Pflegebedürftiger ab 85 Jahren drastisch wachsen: 60 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen, die Hilfe brauchen, werden 2060 85 Jahre oder älter sein.

Heute liegen die Werte bei 30 (Männer) beziehungsweise 50 Prozent (Frauen).

Von den Menschen, die 2013 gestorben sind, waren drei Viertel der Frauen bereits pflegebedürftig – und mit 57 Prozent mehr als die Hälfte der Männer.

Immerhin: Die Situation in der ambulanten und stationären Pflege hat sich laut der Studie gut entwickelt. Während die Zahl der Bedürftigen von 1999 bis 2013 um etwa 30 Prozent angestiegen ist, hat sich die Zahl der Betten im stationären Bereich um 39,9 Prozent erhöht – und die Zahl der Mitarbeiter im Pflegedienst sogar um 70 Prozent.

 

PFLEGE IM HEIM – ODER DAHEIM?

Allerdings wollen immer weniger Deutsche ihre alten Angehörigen ins Heim bringen. Viele holen sie lieber zu sich nachhause, um sie dort selbst zu pflegen. Aktuell kümmern sich 3,7 Millionen Menschen daheim um 1,87 Millionen pflegebedürftige Verwandte. Nur noch 29,1 Prozent der Pflegebedürftigen sind heute vollstationär im Heim oder im Krankenhaus untergebracht (2005 waren das noch 31,8 Prozent).

 

WIE LANGE DAUERT DIE PFLEGEZEIT?

Auch die Pflegezeit dauert heute länger als früher – nämlich im Durchschnitt 6,7 Jahre. Rechnet man die jungen Bedürftigen aus dieser Rechnung raus und nimmt nur die Fälle, in denen die Pflegebedürftigkeit erst ab 60 Jahren begann, dann liegt die Durchschnitts-Pflegedauer bei 4,4 Jahren.

Freilich gibt es große Unterschiede: Statistisch gesehen sterben 19 Prozent der pflegebedürftigen Männer und zwölf Prozent der Frauen bereits innerhalb der ersten drei Pflegemonate. Von den Männern, die 2013 gestorben sind, war jeder Fünfte, von den Frauen waren sogar 41 Prozent länger als zwei Jahre gepflegt worden.

 

WELCHE ANGEHÖRIGEN KÜMMERN SICH?

Nur ein Drittel der Helfer daheim sind Männer, ergab die Studie. Den Großteil der Pflegearbeit übernehmen Ehefrauen, Töchter, Schwiegertöchter und andere angehörige Frauen – sie investieren im Schnitt ein bis zwei Stunden jeden Tag in die Betreuung.

Der Pflegearbeit trifft sie oft dann, wenn die eigenen Kinder noch nicht aus dem Haus sind – mit etwa 40 Jahren – und damit etwa fünf Jahre früher, als Männer anfangen, sich um ihre Angehörigen zu kümmern. Müssen sich Angehörige allerdings dafür entscheiden, Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (wie Demenzkranke) selbst zu versorgen, tun sie das erst in einem höheren Alter.

Sicherlich auch deshalb, weil diese Arbeit deutlich zeitaufwendiger ist: Bei einem Drittel der Fälle sind vier bis acht Stunden täglich zur Betreuung nötig, bei einem weiteren Drittel sogar zwischen acht und zwölf Stunden.

 

WIE ALTERSGERECHT SIND WOHNUNGEN?

Haltegriffe, Rampen, behindertengerechte WCs: Wer sich nicht mehr gut bewegen kann, braucht besondere Vorrichtungen in der Wohnung. Allerdings hat eine Befragung des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe ergebenk dass nur 5,2 Prozent der Seniorenhaushalte (65 Jahre und älter) weitgehend barrierefrei sind. Bei rund 11 Millionen deutschen Seniorenhaushalten entspricht das rund 570 000 Wohnungen. Immerhin: Wo mindestens ein pflegebedürftiger Mensch mit im Haushalt lebt, ist knapp jede zweite Wohnung altengerecht.

Viele Gebäude sind schon wegen aufgrund der Bauweise nicht barrierefrei. Häufig gibt es Stufen am Hauseingang. Ein großes Problem sind auch kleine Bäder ohne technische Hilfen – und schmale Türen, weil Rollatoren oder Rollstühle schlicht nicht durch passen. Laut der Erhebung hat jede zehnte Seniorenwohnung extreme Barrieren, bei denen auch kleine Umbauten nicht weiterhelfen.

 

WAS KOSTEN UMBAUTEN?

Der Pflegereport kalkuliert auch Kosten für Umbauten. Eine barrierefreie Gestaltung der Zugänge – etwa durch eine Rampe oder einen Treppenlift – kostet im Schnitt rund 6300 Euro. Baut man den Innenbereich einer Wohnung vernünftig um, fallen im Schnitt um die 12 900 Euro an.

Und noch etwas kam raus: Viele Betroffene wissen nicht, dass es eine finanzielle Unterstütung für Umbauten gibt. Damit Pflege daheim gestemmt werden kann, übernimmt die Pflegeversicherung seit Januar 2015 einen Zuschuss von bis zu 4000 Euro für Wohnungs-Umbauten (davor waren es noch 2557 Euro).

Dieses Geld haben in den Jahren 2012 bis 2014 nur jeweils 65 000 Pflegebedürftige in Anspruch genommen – und damit Duschen umgerüstet, Treppenlifte einbauen lassen oder praktischere Toiletten eingebaut. Da lohnt sich in jedem Fall eine Rückfrage – bei der Versicherung oder bei der Krankenkasse.

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