Gutsherrenart
Ach, wie gerne würde man mal loben. Die wahrhaft staatstragende Funktion preisen, die der Bahn zukommt. Dass ihr Schienennetz tatsächlich Rückgrat und Blutbahn eines funktionierenden Gemeinwesens ist, dass Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit und Sauberkeit die hohen Preise rechtfertigen und das Selbstbewusstsein ihrer Bediensteten ... Geht nicht.
Pünktlich – wie manche ihrer Züge – hat die Bahn ihre Preise erhöht. Nur letztes Jahr ist die Erhöhung ausgefallen, auch das kennt man von manchen ihrer Züge. Die Begründung ist so einfallslos wie dreist: Gestiegene Energie- und Personalkosten. Die sind nachvollziehbar, weniger nachvollziehbar ist, warum das Unternehmen mehr erhöhen muss als die aktuelle Inflationsrate. Besonders ärgerlich: Konkrete Angaben, wo die Kunden auf den Rennstrecken beispielsweise die Gunst der 2,7-Prozent-Erhöhung erfahren oder doch gleich den fast vier-Prozent-Hammer spüren, die sind noch nicht zu haben. Man müsse das alles durchrechnen und im übrigen werde man schon sehen.
Der Eindruck entsteht: Die Bahn bedient sich beim Pendler, beim Studenten, bei der Oma auf dem Weg zum Enkel, gerade wie’s ihr passt. Das muss sauer aufstoßen in einer Zeit, da sich eine Mehrheit ihre erste Reallohn-Erhöhung seit Jahren mühsam erkämpfen muss, in der andere noch immer mit Kürzungen leben. Die Gutsherrenart der Bahn passt nicht in die Zeit.