Googles Wellen rauschen langsam
Seit zwei Monaten läuft Googles neue Webanwedung Wave im Testbetrieb. Von der Anfangseuphorie vieler Nutzer ist wenig übrig geblieben. Doch das offene Konzept des selbsternannten Nachfolgers der E-Mail bietet Chancen zur Weiterentwicklung.
Zwei Monate nach dem Start ist die erste Euphorie um Google Wave abgeflaut. Wie schon bei der Einführung von Google Mail testet das Internet-Unternehmen den neuen Dienst, indem einzelne Nutzer dazu eingeladen werden.
Diese laden dann in einem Schnellballsystem weitere Interessenten ein. Neugier und Erwartungen waren entsprechend groß, doch die ersten Reaktionen fielen eher ernüchtert aus. «Ich hab mal rein geguckt, aber bei mir hat das Interesse mittlerweile deutlich nachgelassen», schreibt einer der ersten Nutzer in einem privaten Blog und bringt damit die Haltung vieler Tester zum Ausdruck. Es gibt aber auch andere Reaktionen, in denen vor allem die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in gemeinsamen Projekten gerühmt werden - «für solche Zwecke ist es hervorragend geeignet».
«Gemeinsam geteilter Raum»
Google Wave hat zumindest die technischen Voraussetzungen, um E-Mail und Teamarbeit zu verbinden. Ob es auch so angenommen wird, ist die spannende Frage. Auch außerhalb von Google arbeiten zahlreiche Entwickler an einer positiven Antwort. Das Konzept bietet unendliche Möglichkeiten zur Integration von Webanwendungen. «Eine Wave ist ein gemeinsam geteilter Raum, in dem Sie mit Freunden und Kollegen diskutieren, arbeiten und kommunizieren können», erklärt Google-Manager Greg DAlesandre alias Dr. Wave in einem Einführungsvideo. Er räumt ein, dass der Zugang zu dem neuen Dienst am Anfang etwas holperig verlaufe. Aber die vom Browser angezeigte Webseite für den Dienst ist so aufgeräumt, dass man sich schnell zurechtfindet. Die Oberfläche ähnelt einer üblichen Webmail-Seite: Am linken Rand eine Liste mit Verzeichnissen wie «Inbox» (Eingang) und «Trash» (Papierkorb), in der Mitte eine Liste mit den einzelnen Waves und rechts die Anzeige des gerade markierten Beitrags.
Eine Wave kann viel mehr als E-Mail
Aber eine Wave kann viel mehr als E-Mail. Google sagt, Wave sei so wie E-Mail, «wenn sie heute neu erfunden würde». E-Mails werden von einem Mail-Server zum anderen geschickt, Absender und Empfänger haben jeweils eine Kopie des Dokuments. Wird eine Antwort erstellt, entstehen weitere Kopien.
Eine Wave besteht hingegen aus einem einzigen Dokument, das dynamisch ist: Alle Antworten und Ergänzungen werden in dieses Dokument hineingeschrieben. Der zeitliche Ablauf der Kommunikation wird gewissermaßen als Film gespeichert. Ein «Playback»-Button spielt die als «Blips» bezeichneten Antworten und Beiträge Schritt für Schritt ab, in der Reihenfolge, wie sie entstanden sind. Wird eine neue Wave erstellt, kann man aus einer Liste mit Kontakten auswählen, an welche Personen sich dieser Beitrag richten soll. Bei der E-Mail gibt es Absender und Empfänger, bei einer Wave nur Teilnehmer. Neben der Abfolge von Mitteilungen wird so auch die gemeinsame Arbeit an einem Dokument möglich, ähnlich wie bei einem Wiki.
Teilnehmer statt Absender und Empfänger
Sind zwei Teilnehmer einer Wave gleichzeitig online - zu erkennen an einem grünen Punkt am Symbolbild des Nutzers -, können sie in Echtzeit verfolgen, was der jeweils andere schreibt. Buchstabe für Buchstabe erscheint im Wave, während der Gesprächspartner eine Antwort eintippt. Damit kann Google Wave auch zum Chatten genutzt werden. Fotos werden in der Wave als verkleinertes Abbild angezeigt, ein Mausklick präsentiert das Bild in voller Browser-Ansicht im Web-2.0-Stil auf schwarzem Grund. Es ist diese Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten zusammen mit der nichtlinearen Sortierung von verschiedenen Kommunikationssträngen, die viele Wave-Nutzer der Testphase verwirrt. Eine Wave wird im Übersichtsfenster in der Mitte des Browser-Fensters mit der Uhrzeit ihrer letzten Änderung und der Anzahl der Änderungen dargestellt. Eine zusätzliche Möglichkeit für die Orientierung bieten Verzeichnisse sowie Tags, die jeder Wave zugeordnet werden können. Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand werden die zugewiesenen Tags aber noch nicht in die Suche einbezogen. Die ersten Erfahrungen mit Google Wave zeigen: Google Wave kann zwar vieles integrieren, taucht selbst aber in keinen anderen Diensten des Online-Alltags auf und führt daher bislang ein recht isoliertes Dasein. Es kommt vor, dass man eine Wave an einen Kontakt schickt, ohne dass der andere Teilnehmer dies bemerkt - es gibt keine Benachrichtigungsfunktion, da Google Wave ja selbst zum Zentrum der Kommunikation werden soll.
Gadgets für Twitter, RSS und Schach
Was aber bereits eindrucksvoll funktioniert, sind «Gadgets» wie eine Google Map, die in eine Wave integriert werden. Es gibt ein Gadget, das den Twitterkanal des Nutzers anzeigt, oder Gadgets für RSS-Feeds. Die Möglichkeiten zur Kommunikation werden mit Gadgets für die Audio- und Videokommunikation erweitert. Selbst Spiele wie Schach sind so schon in Google Wave eingebunden worden. Und es gibt auch ein Gadget als Schnittstelle zur herkömmlichen E-Mail-Kommunikation. Es ist gar nicht schwer, selbst ein Wave-Gadget zu erstellen und als XML-Datei auf einem beliebigen Server bereitzustellen. Die Waves selbst werden auf einem Google-Server im Netz gespeichert, was dem Projekt erst einmal Kritik vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eingetragen hat: «Der Nutzer verliert vollständig die Kontrolle über seine Daten.»
Google hat die Technik aber bereits zum Teil als Open-Source-Code freigeben, so dass auch andere Anbieter einen Wave-Dienst einrichten können - so wie jetzt auch jeder das Mail-Protokoll für den Aufbau eines eigenen Mail-Servers nutzen kann. Kommt die Wave-Welle erst mal in Schwung, dürften die Server eines einzigen Unternehmens ohnehin nicht für die Datenkommunikation mit Wave ausreichen. Bereits im Testbetrieb mit rund einer Million registrierten Nutzern zeigt der Browser hin und wieder die Fehlermeldung «unsynced waves» auf - der Server kommt mit der Aktualisierung der Waves nicht nach. (Peter Zschunke/AP)