"Glücklich geschieden": Amerikaner lassen es krachen

Wer eine Hochzeit feiert, kann es auch zum post-ehelichen Eintritt in eine neue Lebensphase krachen lassen. So denken Event-Planer in den USA und organisieren neuerdings Scheidungspartys. Da heißt es: Ab mit dem Ehering ins Klo.
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Endlich wieder Single: Scheidungspartys sind in den USA populär
ap Endlich wieder Single: Scheidungspartys sind in den USA populär

Wer eine Hochzeit feiert, kann es auch zum post-ehelichen Eintritt in eine neue Lebensphase krachen lassen. So denken Event-Planer in den USA und organisieren neuerdings Scheidungspartys. Da heißt es: Ab mit dem Ehering ins Klo.

Aus den Boxen dröhnt der Song «Love is a battlefield» (Die Liebe ist ein Schlachtfeld), der Barmann mixt den Cocktail «Marriage on the Rocks» (Ehe auf Eis), und am Rand der Bühne thront eine trauerschwarze Hochzeitstorten-Attrappe. Das Plastikbrautpaar auf dem Kuchen lässt darauf schließen, dass es um die Beziehung nicht zum Besten steht: Die Figuren wenden sich den Rücken zu.

Es ist Scheidungsparty-Nacht in der Bar «ChristopherÆs» in Fort Lauderdale im US-Staat Florida. Gut 250 frisch Getrennte zwischen Ende 30 und Anfang 70 sind gekommen, um für zehn Dollar Eintrittsgeld ihr Single-Dasein zu feiern. Christina Rowe, 40 Jahre alt und seit drei Jahren geschieden, veranstaltet die Sause seit März alle paar Wochen. «Es geht darum, gemeinsam zu lachen und nach vorne zu schauen», sagt sie. Zum Programm gehört beispielsweise der Wettbewerb «Wer hat den schlimmsten Ex?», bei dem die Teilnehmer per Mikrofon über den ehemaligen Partner lästern.

Gescheiterte Ehe als Anlass zum Feiern

«Extrem beliebt ist auch das Spiel, bei dem wir unsere Eheringe in die Toilette werfen», so Rowe. Zu dem Zweck wird eigens ein WC vor die DJ-Kabine gehievt. Von wertvollen Schmuckstücken muss sich aber niemand trennen, denn für den symbolischen Akt verteilt Rowe billige Ersatzringe. Die Party ist so beliebt, dass sie im Herbst auch in Los Angeles und New York über die Bühne gehen soll. Den Erfolg verdankt Rowe einem neuen Trend: In den USA ist eine gescheiterte Ehe nicht mehr nur Grund zur Trauer, sondern auch Anlass zum Feiern. Das hat in den vergangenen Monaten auch Andrea Eppolito (31) in Las Vegas bemerkt. Normalerweise organisiert die Event-Planerin Hochzeitsbanketts für zwei der Nobelrestaurants im Casino «CaesarÆs Palace». Doch nun bekommt sie immer öfter Anrufe von Frauen, die für die beste Freundin ein Scheidungsfest geben wollen.

Limousine, Champagner, Massagen

Ihre eigene Scheidungsparty feierte sie vor sieben Jahren, nur 13 Monate nach der Hochzeit. «Meine Freunde holten mich aus dem Bett und schleppten mich einfach in eine Kneipe», erzählt Eppolito. Ihren Kunden bietet sie deutlich mehr Luxus: Abholen am Flughafen mit Chauffeur und Limousine, Champagner und Pralinen zur Begrüßung im Hotel. Dann Massagen, geführte Shopping-Tour und zum Abschluss ein Fünf-Gänge Menü, bei dem die oder der frisch Geschiedene den Gästen feierlich die neuen Lebensziele kundtut. Eppolito: «Die Kosten sind nach oben offen.»

Soziologe: Folge eines Wertewandels

Das Feier-Phänomen ist die Folge eines Wertewandels, meint der Soziologe David Popenoe (75). Er leitet eine Forschungsgruppe zum Thema Ehe an der Rutgers Universität in New Brunswick im Staat New Jersey. «Scheidung ist heute gesellschaftlich viel eher akzeptiert als noch vor einigen Jahrzehnten», sagt Popenoe. «Sich zu trennen gilt als normal.»

Die Vereinigten Staaten haben die höchste Scheidungsrate der Welt. Im Jahr 2005 wurden von 1000 Ehen in den USA 16 geschieden. Zum Vergleich: In Deutschland gab es im selben Zeitraum pro 1000 Ehen nur elf Scheidungen. Nach Angaben von David Popenoes Forschungsgruppe leben amerikanische Paare mit einem hohen Trennungsrisiko: Wer in den vergangenen Monaten zum ersten Mal den Bund fürs Leben schloss, dessen Beziehung wird mit 40- bis 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit irgendwann in die Brüche gehen.

Auch Buchautoren entdecken den Markt

Den dann folgenden Neuanfang wollen immer mehr Menschen zelebrieren. Anleitung bekommen sie auch von Buchautorin Christine Gallagher aus Los Angeles. Sie schrieb den Ratgeber «The Divorce Party Planer» (Der Scheidungsparty-Planer). Darin gibt die seit 19 Jahren glücklich verheiratete Mittvierzigerin Tipps zu Dekor, Musik und Gästewahl. «So eine Party dient keineswegs dazu, das Scheitern einer Beziehung zu feiern», sagt sie. «Es geht darum, das Ende einer schmerzhaften Phase zu würdigen und einen neuen Lebensabschnitt zu begrüßen.» Im Internet hat sich bereits ein Markt für entsprechendes Party-Zubehör entwickelt. Scherzartikel-Shops bieten Grußkarten mit dem Aufdruck «Herzlichen Glückwunsch zur Scheidung!» an. Voodoopuppen, die die Ex-Frau verkörpern, sind schon ab sieben Dollar neunundneunzig zu haben. Und die New Yorkerin Jill Testa verkauft einen Mini-Sarg für den ausgedienten Ehering.

Ob die Scheidungs-Party-Begeisterung bald die gesamte US-Bevölkerung erfasst, ist allerdings fraglich. Skepsis schlug zumindest der Frau entgegen, die in einem Yahoo-Forum im Internet um Hilfe beim Organisieren einer Scheidungsfete bat. Die Nutzer der Webseite wählten unter allen Antworten jene aus, die ihnen am besten schien. Sie lautete: «Du spinnst doch!» (Ina Rometsch, epd)

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