Glaube an Geister: Parapsychologe im AZ-Interview über die Anderswelt

Im AZ-Interview erklärt ein Parapsycologe, woher der Glaube an die Anderswelt rührt – und wieso er clever sein kann.
von  Ida Birke
"Opfergaben an gute und böse Geister waren zu allen Zeiten in allen Regionen üblich": der promovierte Psychologe und Physiker Walter von Lucadou.
"Opfergaben an gute und böse Geister waren zu allen Zeiten in allen Regionen üblich": der promovierte Psychologe und Physiker Walter von Lucadou. © dpa

AZ: Herr von Lucadou, warum glauben Menschen an Geister?
WALTER von Lucadou: Das lässt sich ganz genau beschreiben: Man nennt es anthropologische Konstante. Der Mensch ist so angelegt, dass er Dinge, die er nicht durchschaut, die aber durchaus intelligent wirken, anthropomorphisiert.

Was bedeutet das?
Das heißt, dass er diese erstmal unerklärlichen Dinge in ein menschliches Bild umsetzt. Besonders die in Frühzeiten mächtigen Wetterphänomene wie Donner, Blitz und Stürme wurden durch Götter und Geisterwerk erklärt. Schlimme Krankheiten lastete man Dämonen an. Das hat sich als sehr clevere Vorgehensweise herausgestellt, denn eine Versuchsreihe hat ergeben, dass Menschen, die denken, alles immer im Griff zu haben, wesentlich unflexibler auf komplexe Situationen reagieren als diejenigen, die sich einer übergeordneten, intelligenten Instanz ausgeliefert sehen.

Unterscheidet sich der Geisterglaube anhand von Zeitaltern, Religionen und Regionen?
In allen vorindustriellen, sesshaften Kulturen gab es schon immer Geistwesen und Dämonen, weil diese für den Ackerbau wichtig waren – unabhängig von Region oder Religion. Ähnlich wie die an Fronleichnam stattfindende Prozessionen über die Felder – als Fruchtbarkeitsritus – bedienten sich alle ackerbauenden Kulturen religionsunabhängig ähnlichen kultischen Bräuchen.

Welche Motivation steht hinter dem Glauben an die feinstofflichen Welten und an Geister?
Die Motivation, an eine Anderswelt zu glauben, liegt in erster Linie darin begründet, ungünstige Situationen abzuwenden, gerade im Falle der Ackerbau betreibenden Kulturen, wenn die Ernten mal nicht so üppig ausfielen. Schuld hatten eben die bösen Geister oder Dämonen. Auch Opfergaben an die guten sowie an die bösen Geister waren zu allen Zeiten in allen Regionen üblich.

Was noch?
Eine weitere Motivation stellt natürlich der Wunsch nach einem guten Ausgang in schwierigen Lebenslagen in Form von Hinwendung und Huldigung der Geisterwelt dar. Die immer noch bestehenden Ahnenkulte haben einen hohen psychologischen Wert und eine durchaus stabilisierende Funktion für die Gesellschaft. Im Sinne eines wachenden Geistes über eine Familie oder einen Clan bleibt man als Nachfahre der Toten unter Beobachtung. Somit gelten die Verstorbenen auch als eine unsichtbare Instanz – mit strengen Regeln, an die es sich zu halten gilt, ansonsten bekommt man Ärger.

Gibt es etwa Beweise für Geistererscheinungen oder Gespenstersichtungen?
Natürlich gibt es immer wieder Berichte von Menschen, die Geister gesehen haben – und das ist gar nicht mal so selten. Seit der Gründung der Society of Psychical Research im Jahre 1882 spaltete sich diese in zwei Lager. Die einen haben gesagt, dass alle paranormalen Erfahrungen, die Menschen haben – und diese gibt es, das ist unbestritten – alle naturwissenschaftlich erklärbar sind, auch wenn wir die Mechanismen, die dazu führen, noch nicht ausreichend erklären können. Und die anderen sagten, das ist ein Hinweis, dass es wirklich ein Leben nach dem Tod gibt. Wenn sie alle Beweise, die es für die Existenz von Geistern gibt, gegen den Strich bürsten, dann muss ich sagen: Es gibt keinen eindeutigen Beweis, der alle überzeugen würde.

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