Gegen den Touristen-Ansturm: Südtirol verhängt Betten-Stopp

Südtirol hat's satt: Künftig wird die Zahl der Schlafmöglichkeiten pro Betrieb begrenzt. Es gibt aber eine Übergangszeit.
von  Emma Christ, Martina Scheffler
Beliebtes Ausflugsziel nicht nur der Münchner: der Tegernsee.
Beliebtes Ausflugsziel nicht nur der Münchner: der Tegernsee. © Sven Hoppe/dpa

Overtourism – dieses Phänomen bringt so manchen Ausflugsort nicht nur in Oberbayern zum Ächzen. Und während Corona wurden Touristen - Stichwort: Tegernsee! Faule Eier! Unerwünschte Münchner! – zur fast unerträglichen Belastung für kleine Orte.

Regeln für den Tourismus der Zukunft

Venedig hat die Kreuzfahrtschiffe verbannt und Eintritt für Tagestouristen eingeführt. Südtirol will es nun mit einer Bettenobergrenze versuchen.

In der sogenannten Durchführungsverordnung zum Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+ legte die Landesregierung Regeln für den Tourismus der Zukunft fest. Zunächst wird die Zahl der bestehenden Gästebetten erhoben. Die Obergrenze besteht dann aus der Summe "aller rechtmäßigen Schlafgelegenheiten für Gäste im Alter von über 14 Jahren", so die Landesregierung, die die Verordnung Mitte September genehmigt hatte.

Danach werden die Betten einzelnen Kategorien zugeteilt, etwa für Gastgewerbe oder möblierte Ferienwohnungen. Gibt ein Betrieb auf, geht seine Zahl an Übernachtungsmöglichkeiten auf die Gemeinde über. Einige Tausend Betten will die Regierung zunächst als "Vorschuss" gewähren. Innerhalb von zehn Jahren soll aber ein ausgeglichener Stand erreicht werden. Pro Betrieb sind maximal 150 Betten erlaubt.

Private Beherbergung: Problematisch für Tourismus und Wohnungsmarkt 

Die Regelung war nicht unumstritten. Der in der Regierung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol für Tourismus zuständige Landesrat Arnold Schuler sprach im Frühjahr von "einer Regulierung der Kapazitätserweiterungen zum Erhalt der Lebensqualität für die lokale Bevölkerung". In Schulers Auftrag war das Konzept vom Center for Advanced Studies des Forschungsinstituts EURAC Research mit IDM Südtirol erarbeitet worden.

In einem Interview der "Neuen Südtiroler Tageszeitung" verwies Schuler auf das Problem privater Beherbergungen: "Ausschlaggebend war unter anderem auch die Entwicklung bei der Vermietung von privaten Wohnungen über Plattformen wie Airbnb: Allein in den letzten Monaten haben die Zahlen enorm zugenommen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Tourismus, sondern auch auf den Wohnungsmarkt." Dass man nicht nur die "Fixbetten" in einem Betrieb erfasse, sondern alle regulären "Nächtigungsmöglichkeiten", sei ein "Paradigmenwechsel".

Deutsche Touristen: Urlaub im eigenen Land 

Ein Großteil der Touristen in Südtirol kommt aus Deutschland. Die neuesten Zahlen vom Juli dieses Jahres zeigen einen Anteil der Deutschen an den insgesamt knapp fünf Millionen Übernachtungen von 41,7 Prozent. 38,7 Prozent kamen aus Italien.

Im letzten vorpandemischen Jahr 2019 wurden im gesamten Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) 4,7 Millionen Ankünfte registriert, bei 21,1 Millionen Übernachtungen. Davon entfielen 11,2 Millionen auf Urlauber aus Deutschland. Die Zahlen waren gegenüber dem Vorjahr gestiegen, wie auch schon 2018.

Pfarrkirche St. Gertraud mit Ortler-Massiv in Sulden in Südtirol. Auch hier müssen Betten gezählt werden.
Pfarrkirche St. Gertraud mit Ortler-Massiv in Sulden in Südtirol. Auch hier müssen Betten gezählt werden. © Norbert Probst/imagebroker/imago

Neue Standorte, neue Ziele, verteilter Tourismus

Die wachsende Zahl an Touristen ist auch in Teilen Bayerns ein Thema geworden. Für Oswald Pehel, Geschäftsführer des Tourismus Oberbayern München, sind aber Übernachtungsgäste nicht das Problem, sie fehlten momentan eher. Ihn treiben eher die Tagesbesucherströme um. Hier brauche es eine Besucherlenkung wie den Ausflugsticker Bayern - nicht aber eine Bettenobergrenze.

"Das fördert zum einen die Erlebnisqualität, aber es entlastet auch die Umwelt, wenn sich nicht Massen an einem Standort befinden und die Wirtschaftlichkeit konzentriert sich nicht nur auf einige wenige Standorte." Ziel sei, die Menschen auch einmal an andere Standorte zu locken. Neue, wirtschaftlich schwächere Ziele würden sich über mehr Tourismus freuen, sagte er der AZ.

Tagestouristen: "Zu viele davon gibt es nicht."

"Wir haben mit Overtourism und speziell Bettentourismus kein Problem", gibt auch Thomas Baumgartner, Leiter Kommunikation und Entwicklung bei der Tegernseer Tal Tourismus GmbH, an. "Wir haben 9100 Betten und sind mit der Auslastung unserer Kapazitäten voll zufrieden, wobei es zu bestimmten Zeiten saisonal bedingt mehr Nachfrage als Angebot gibt", sagte er der AZ.

Die Tagestouristen seien ein sehr wichtiger Bestandteil und trügen viel zur Wirtschaftlichkeit und Wertschöpfung bei. "Zu viele davon gibt es nicht, sie verteilen sich gut am See, wenn das Auto erst einmal steht."

Einen Wunsch hat Baumgartner aber: "Dass die Leute mehr die Öffentlichen nutzen würden und das Auto lieber stehen lassen, dann sind die Straßen auch nicht mehr so voll."

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