Galileo: Ein Münchner Kindl im All
Und es bewegt sich doch was: Am Sonntag startet ein neuer Satellit des Navigationssystems: Eine Chance für Bayern. Die EU gibt bis 2013 rund 3,4 Milliarden Euro für das ehrgeizige Projekt aus.
MÜNCHEN Es ist eine wichtige Woche für ganz Europa – und speziell für Oberpfaffenhofen. Erst sicherte die EU die Finanzierung des vom Scheitern bedrohten Navigationssystems Galileo. Und am Sonntag wird „Giove-B“, der zweite Testsatellit, im kasachischen Raumfahrtzentrum Baikonur seine Reise ins All antreten. In Oberpfaffenhofen bei München ist die Spannung besonders groß: Hier soll eines der beiden Kontrollzentren für das Konkurrenz-System zu GPS errichtet werden.
Dem Koordinator für Galileo bei der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, Hubert Reile, ist die Erleichterung ganz besonders anzuhören. Er ist, so sagt er im Gespräch mit der AZ, jetzt überzeugt, dass Galileo kommen wird.
Das stand lange auf der Kippe, nachdem sich die EU mit dem für den Bau des Satelliten-Navigations-Systems vorgesehenen Industrie-Konsortium zerstritten hatte. Nun öffnen die EU-Länder selbst ihr Füllhorn und geben bis 2013 rund 3,4 Milliarden Euro für das ehrgeizige Projekt aus.
Es soll Europa unabhängig machen von dem amerikanischen GPS, das bisher Autofahrern, Piloten und Schiffskapitänen gleichermaßen den Weg weist. Kritiker finden es oft zu unpräzise. Vor allem ist ein Handicap, dass das amerikanische Militär den bevorzugten Zugriff auf die Satellitennavigation hat: Wenn das Pentagon es will, fahren Autofahrer im Bayerischen Wald in die Irre.
In Sachen Präzision haben sich die Planer viel vorgenommen – und auch die zweieinhalb Jahre Verzögerung, die es durch die Finanzierungsprobleme gab, intensiv genutzt. Der Testsatellit Giove-B ist wesentlich leistungsfähiger als sein Vorgänger Giove-A, der sich seit dem Jahr 2005 im All befindet.
Von einem „Quantensprung“ ist gar bei EADS Astrium in Ottobrunn die Rede, wo der zentrale Bordrechner des Satelliten gebaut wurde: Giove-B hat die präziseste Atomuhr an Bord, die je im Weltall getestet wurde. Sie weicht in 24 Stunden maximal um eine Nanosekunde von der tatsächlichen Zeit ab.
Für die Satelliten-Navigation ist das von großer Bedeutung. Denn zur Positionsbestimmung berechnet das Empfangsgerät, das sich zum Beispiel in einem Auto befindet, wie lange die Signale unterwegs waren, die es von den Satelliten erhält.
Galileo soll eine metergenaue Positionsbestimmung ermöglichen – dann wäre es wirklich wesentlich präziser als GPS. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen vom Navigationsgerät im Auto bis hin zur Unterstützung komplexer Rettungsoperationen.
Auch eine andere Konsequenz von Galileo ist nicht zu unterschätzen: die Aufwertung der Region. „Allein an unserem Standort in Oberpfaffenhofen werden wir rund 100 neue Stellen schaffen“, betont Hubert Reile gegenüber der AZ die Bedeutung des künftigen Kontrollzentrums.
Das bayerische Wirtschaftsministerium rechnet mit Aufträgen in dreistelliger Millionenhöhe für die bayerische Wirtschaft und mit der Schaffung von 8000 bis 10000 neuen Arbeitsplätzen.
mh
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