Furcht vor Piratenrache nach Kapitäns-Befreiung

Washington/Nairobi (dpa) - Nach der Militäraktion zur Befreiung von US-Kapitän Richard Phillips aus den Händen von Piraten wächst die Sorge um das Schicksal der anderen Geiseln in der Gewalt der Seeräuber vor Somalia.
von  Abendzeitung
Der Kapitän der "Maersk Alabama", Richard Phillips, nach seiner Befreiung durch US-Marinesoldaten.
Der Kapitän der "Maersk Alabama", Richard Phillips, nach seiner Befreiung durch US-Marinesoldaten. © dpa

Washington/Nairobi (dpa) - Nach der Militäraktion zur Befreiung von US-Kapitän Richard Phillips aus den Händen von Piraten wächst die Sorge um das Schicksal der anderen Geiseln in der Gewalt der Seeräuber vor Somalia.

«Dadurch könnte die Gewalt in diesem Teil der Welt sprunghaft zunehmen, da besteht kein Zweifel», sagte der amerikanische Vizeadmiral William Gortney laut britischer BBC vom Montag. Die Mannschaft des von Phillips kommandierten Containerschiffes «Maersk Alabama» forderte unterdessen die US- Regierung zum energischen Vorgehen gegen die Piraten vor der somalischen Küste auf. Noch immer befindet sich mehr als ein Dutzend Schiffe mit mehr als 220 Menschen in Piratenhand, darunter die «Hansa Stavanger» mit fünf Deutschen an Bord.

Es habe zuletzt zwar immer mehr Piratenangriffe gegeben, allerdings seien diese zumeist unblutig verlaufen, sagte Gortney. US- Elitesoldaten hatten Phillips am Sonntag in einer dramatischen Aktion befreit. Marine-Scharfschützen erschossen drei der vier Piraten, die Phillips seit Mittwoch in einem Rettungsboot in ihrer Gewalt hatten. Der vierte Pirat ergab sich den US-Marinesoldaten. Er war zum Zeitpunkt der Befreiungsaktion an Bord der «Bainbridge», offenbar um mit der Navy zu verhandeln. Die Staatsanwaltschaft wird nach Justizangaben prüfen, ob er vor ein amerikanisches Gericht gestellt wird. Es sei das erste Mal in der jüngeren Geschichte, dass sich ein Pirat, der einen US- Amerikaner angriff, in US-Gewahrsam befindet.

Über den Start der Befreiungsaktion entschied laut US-Marine der an den Verhandlungen mit den Piraten beteiligte Kommandant des in der Nähe kreuzenden Zerstörers «USS Bainbridge». «Er entschied, dass sich der Kapitän in höchster Gefahr befand, und die drei Piraten wurden getötet», sagte Gortney. «Der Pirat, der sich zuvor ergeben hatte, wurde menschenwürdig behandelt; die drei anderen, die weiterhin kämpften, bezahlten mit ihrem Leben», sagte Gortney.

Ein somalischer Diplomat widersprach der amerikanischen Darstellung der Ereignisse. Vielmehr hätten die US-Soldaten einen Trick angewandt, sagte am Sonntag der somalische Vizekonsul in der jemenitischen Hafenstadt Aden, Hussain Haji Mahmud. Demnach hätten die Amerikaner zunächst einen der Piraten vom Rettungsboot auf das US-Kriegsschiff gelockt, um mit ihm angeblich über die Übergabe eines Lösegeldes verhandeln. Dann hätten sie gefordert, mit Kapitän Phillips telefonieren zu dürfen, um sicherzustellen, dass dieser noch lebt. Über Telefon sei Phillips nur zugerufen worden, in Deckung zu gehen, da die Aktion beginne. In diesem Moment eröffneten die Scharfschützen das Feuer auf die restlichen Piraten auf dem Rettungsboot.

Nach seiner Befreiung sei Phillips zunächst auf die «USS Bainbridge» und dann zu einer medizinischen Untersuchung auf die «USS Boxer» geflogen worden, sagte Navy-Sprecher Nathan Christensen. «Dem Kapitän geht es gut. Er hat geduscht und die Kleidung gewechselt», sagte Gortney. Auch mit seiner Frau Andrea habe er telefoniert. «Sie sagte, er hat seinen besonderen Humor nicht verloren, und er ist bester Laune», berichtete eine Sprecherin der Maersk-Reederei. In seiner Heimat und von seiner Crew wird der 53- Jährige als Held gefeiert.

Als die Piraten den von Phillips gesteuerten Containerfrachter «Maersk Alabama» am Mittwoch geentert hatten, trug der Kapitän seiner Crew auf, sich in einer Kabine einzuschließen, berichteten die Seeleute laut BBC. Um seine Mannschaft zu retten, habe sich Phillips selbst den Seeräubern ausgeliefert. «Jeder hier von uns hat ihm zu danken, dass wir am Leben und frei sind», sagte der Erste Maat Shane Murphy am Montag in der kenianischen Hafenstadt Mombasa, wo die «Maersk Alabama» in der Nacht zu Sonntag eingetroffen war.

Die 20-köpfige Crew wollte nicht verraten, wie genau sie die mit Maschinenpistolen bewaffneten Piraten überwältigt hatten, um anderen Seeleuten in einer ähnlichen Lage nicht zu schaden. Gleichzeitig appellierten sie, die Piraten entschlossen zu bekämpfen. «Wir bitten Präsident Obama, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die somalische Piraterie zu beenden», sagte Murphy.

Unterdessen bleibt das Schicksal der fünf Deutschen, die vor Somalia von Piraten auf dem Frachter «Hansa Stavanger» festgehalten werden, weiterhin ungewiss. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes bemühe sich nach wie vor intensiv um eine Lösung des Falles, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin. Details nannte sie nicht. Das Containerschiff war am 4. April von Piraten gekapert worden.

Überschattet wird der erfolgreiche Befreiungsschlag von Sonntag vom tragischen Ausgang einer ähnlichen Aktion französischer Truppen am Karfreitag. Bei der Befreiung der französischen Segeljacht «Tanit» waren nicht nur zwei Piraten, sondern auch der 27-jährige Bootseigner beim Schusswechsel zwischen Piraten und Soldaten getötet worden. Die übrigen vier Geiseln, unter ihnen ein dreijähriges Kleinkind, konnten unverletzt gerettet werden und kehrten bereits am Sonntag nach Frankreich zurück.

Die Regierung der somalischen Region Puntland lobte das amerikanische Vorgehen gegen die Piraten. Abdirahman Mohamed Farole, der Präsident der halbautonomen Region im Nordosten Somalias, gratulierte der US-Regierung zu ihrer «starken Haltung gegen die Piraten», berichtete der Rundfunksender Radio Garowe.

Mehrere radikalislamische Gruppen in Somalia haben die jüngsten Piratenangriffe als «Kampf gegen den Westen» gelobt. Der Sender Garowe berichtete am Montag auf seiner Webseite, die Islamisten hätten die Attacken der Seeräuber als Schutz der somalischen Küstengewässer gewürdigt.

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