Fleischloser Tag in der Kantine: Oh, Veggie Day
München - Es scheint eine Schicksalsfrage der Menschheit zu sein – gemessen jedenfalls am Aufschrei, den, im Sommerloch, ein Vorschlag der Grünen ausgelöst hat. Deren Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hatte angeregt, dass es einmal in der Woche in jeder Kantine einen Veggie-Tag, also einen fleischlosen Tag geben sollte.
"Fleisch gehört dazu"
Die bildhafte Überschrift „Grüne wollen uns das Fleisch verbieten“ rief sofort die Genussmenschen auf den Plan – allen voran FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle: „Menschen ständig Vorschriften zu machen ist nicht mein Verständnis von Freiheit und Liberalität“, verteidigte er das Recht eines jeden, sich ungesund zu ernähren. Und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner bemühte sogar unsere Grundwerte. Ausgewogene Ernährung zähle zu ihnen, „und da gehört Fleisch dazu“.
Dabei geht es den Grünen nur um einen Tag pro Woche. Göring-Eckart: „Es ist gut vorstellbar, dass es in Deutschlands Kantinen jeden Donnerstag nur vegetarische Gerichte gibt.“ Die Grüne will auch nicht, dass es einen gesetzlichen Zwang gibt – die Politik solle einen solchen Veggie-Tag in öffentlichen Kantinen lediglich fördern. Zur Begründung sagte sie: „Man muss nicht jeden Tag zwei Burger essen. Dies entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Fleischkonsum der Bundesbürger – nämlich rund 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Weniger Fleisch zu essen ist gut für die Gesundheit, den Tier- und den Klimaschutz.“
Vor allem Männer essen zu viel Schnitzel & Co.
Die Grünen-Fraktionschefin glaubt, dass eine solche Initiative gut ankommen werde. 60 Prozent der Deutschen seien zu weniger Fleischkonsum bereit. „Es wird ja niemandem etwas verboten.“ Früher habe es in vielen Familien mindestens freitags kein Fleisch gegeben. Ein Veggie-Day sei eine moderne Form dieser Tradition. Erst im Februar hatte die Techniker Krankenkasse eine Studie vorgestellt, nach der viele Bundesbürger nach wie vor viel mehr Fleisch und Wurst essen als empfohlen – vor allem Männer.
Während nur vier von zehn Frauen täglich Wurst oder Fleisch zu sich nehmen, sind es demnach sechs von zehn Männern. Insgesamt gibt es in Deutschland rund sieben Millionen Vegetarier, also Menschen, die kein Fleisch oder Fisch essen. Das sind neun Prozent der Bevölkerung, also fast jeder Zehnte. Die Zahl der Veganer (sie meiden alle tierischen Nahrung, also auch Eier, Milch und Milchprodukte) wird auf rund 800000 geschätzt. Und dann gibt es noch Frutarier: Sie wollen auch keinen Pflanzen wehtun und essen nur von selbst Abgefallenes wie Äpfel.
Lesen Sie hier: Pro und Kontra zum Veggie-Tag
Wie viel Wurst tut gut?
Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Fleischkonsum:
Wie viel Fleisch essen die Menschen in Deutschland?
Fleischessen ist hierzulande vor allem Männersache. Das ergab zumindest die Nationale Verzehrstudie II des bundeseigenen Max-Rubner-Instituts (MRI) in Karlsruhe aus dem Jahr 2006. Pro Tag verdrückt demnach ein erwachsener Mann im Schnitt mehr als 100 Gramm Fleisch. Frauen kommen im Schnitt nur auf rund 50 Gramm. Eine im Februar vorgestellte Studie der Techniker Krankenkasse bestätigte diesen Trend: Während nur vier von zehn Frauen täglich Wurst oder Fleisch essen, sind es sechs von zehn Männern. Das Verbraucherministerium kam für 2012 auf einen Pro-Kopf-Verbrauch von 87 Kilogramm pro Jahr. Dabei handelte es sich jedoch um die für den Verbrauch zur Verfügung stehende Menge, nicht die tatsächlich verzehrte.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Im Vergleich mit 19 EU-Ländern landete Deutschland beim Fleischverbrauch auf Platz 10. 89,5 Kilo schlugen demnach im Jahr 2010 pro Kopf zu Buche. Spitzenreiter war Zypern: Auf jeden Einwohner der Mittelmeerinsel kamen im Schnitt 137,4 Kilo Fleisch.
Wie viel Fleisch in der Ernährung ist ratsam?
Mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche sollten es nicht sein, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Oder anders ausgedrückt: Zwei mittelgroße Steaks pro Woche reichen völlig aus. „Fleisch ist nicht überlebensnotwendig“, sagt Gisela Olias vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Bei fleischloser Ernährung sollte man aber darauf achten, genug Vitamin B12 über andere tierische Lebensmittel wie Eier oder Milch zu sich zu nehmen. Das sei wichtig für die Blutbildung und die Nerven. Wer sich vegan, also ohne tierische Produkte, ernähren möchte, sollte unter Umständen auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen.
Welche Möglichkeiten hat man bislang, wenn man fleischlos zu Mittag
essen möchte?
„Nahezu jede Kantine bietet vegetarische Gerichte an“, sagt Benedikt Wolbeck vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Denn die Nachfrage nach vegetarischem und veganem Essen habe in den vergangenen Jahren zugenommen.
Aber welches ist das beliebteste Kantinen-Essen?
Die Currywurst ist der Star in deutschen Kantinen. Laut einer Erhebung des Familienunternehmens Apetito belegte sie im vergangenen Jahr den Spitzenplatz in deutschen Großküchen. Apetito versorgt täglich rund 1,3 Millionen Menschen in Kantinen, Heimen oder Schulen mit Mahlzeiten und ist nach eigenen Angaben deutscher Marktführer bei Gemeinschaftskost. Aber auch vegetarische Gerichte erfreuen sich wachsender Beliebtheit: In den Top-10 fanden sich im vergangenen Jahr beispielsweise „Kartoffel-Möhren-Eintopf“ (Rang 5) und „Sommergemüse-Eintopf“ (Rang 10).