Fitness für Faule: Frisch wie eine Mumie
Es klingt einfach: Wer schlank sein will, muss sich angeblich nur einwickeln lassen – buchstäblich. Schlanker und cellulitefrei durch eine Art Frischhaltefolie: Eine AZ-Reporterin testet „Body Wrapping“.
Na bravo. Da drückt man sich zuhause wochenlang vor dem Schritt auf die Waage, weil die Jeans so verdächtig kneift. Und jetzt gibt es kein Umkehren mehr. „Raufsteigen, bitte“, sagt Regina Wittrock, eine weißhaarige Dame mit nettem Lächeln, und deutet auf ein Körperfett-Wiegemonster in einer Nische ihres Beautysalons „In-Shape“. Natürlich schlägt das Biest aus. Dann setzt die Salonchefin das Maßband an. Umspannt meine Brust, misst den Oberbauchumfang, Unterbauch und Po. Schluck.
Es gibt schönere Starts in den Tag. Aber, gibt es auch Hoffnung? Doch, doch, sagt die freundliche Beautyfee. „Drei Anwendungen, dann passen Sie wieder in Ihre Hosen.“ Sie meint das ernst. Was sie anbietet, heißt Body Wrapping. Eine Schlankwickel-Methode, die schon Kleopatra, der Star unter Ägyptens Königinnen, vor 2000 Jahren angewendet haben soll, um ihren Widersacher Julius Caesar zu verführen. Ganz ohne Hungern und Schwitzen soll das Gewickel in nur 40 Minuten dünner machen. Zudem straffe Haut. Festes Bindegewebe. Und die lästige Cellulite weg. Was für Aussichten.
Ich zwänge mich aus der Zwick-Röhre, lupfe das Shirt, das obenrum anbleiben darf, und werde rundherum eingesalbt. Nicht mit Milch und Honig, wie man sich das vorstellt bei Kleopatras Beautykuren. Aber mit „Omega-Kaltgel“. Das riecht mit Eukalyptus und Menthol mehr wie Wick Vaporup, Omas Kampfsalbe gegen Husten. Aber gut, das Gel kühlt die Haut, heizt nach innen ein und soll meinen Stoffwechsel in Fahrt bringen.
Fortan wird’s eher ungemütlich. Regina Wittrock verpackt mich luftdicht in eine „thermoaktive Spezialfolie“ (ein bisschen dichter als Frischhaltefolie). Vom Knie über Oberschenkel, Po und Hüfte bis hoch zum Bauch und wieder zurück. Die Dame zerrt hier, zurrt da, drückt, versenkt, verspannt alle Fettpolster, die sich in den Weg dellen. Am Ende umgibt mich eine Hülle aus acht Längenmetern transparentem Plastik. Und lässt mich fühlen wie eine Kreuzung aus verschweißter Leberwurst, bandagierter Mumie und gestrandetem Wal.
Wozu das gut sein soll, klärt sich dann auch: Die Wickelung drückt so aufs Gewebe, dass sich die Lymphkapillaren öffnen. Die nehmen Wasser und Schlacke auf, die sich zwischen den Zellen angesammelt haben und schwemmen sie über Leber und Niere aus.
Ausschwemmen? Das, so viel lässt sich sagen, funktioniert besser, als einer Plastikmumie lieb sein kann. Von den 40 Entspannungsminuten, die ich in Decken gehüllt auf der Ruheliege verbringen darf, vergehen 25. Da alarmiert ein heftiger Druck auf der Blase. Jetzt aufs Klo? Was für eine Idee. Es bleibt nur: liegen bleiben. Ruhen. Still halten und das Harfen-Panflötengedudel im Kopfhörer als Ablenkung ertragen. „Lernen Sie, dass Entspannen Spaß macht, Entspannen macht Spaß“, nebelt sich ein Singsang-Sprecher in mein Gehirn. Dann naht der Moment der Befreiung. Regina Wittrock rückt mit einer Arztschere an, lässt meine zweite Haut platzen, schält mich frei.
Seltsam mager komme ich mir vor – und, oha, ich bin’s auch: Die Waage zeigt 500 Gramm weniger an. Das Maßband subtrahiert einen Zentimeter am Oberbauch, zwei am Unterbauch und zwei Zentimeter am Po. Um die letzten Zweifel an der Messtechnik auszuräumen, schlüpfe ich in meine Jeans zurück. Wirklich: Da spannt nix mehr.
Ehe ich entschwebe, um mich starköniginnengleich Julius Cäsar in die Arme zu werfen, holt mich Regina Wittrock zurück ins 21. Jahrhundert – und auf den Boden: „Nicht übermütig werden, das ist nur Wasser, was Sie da verloren haben. Das kommt wieder.“ Zehn Sitzungen brauche es schon, damit die Wirkung anhält. Plus sanfter Sport. Plus gesunde Ernährung.
Sagt auch Ernährungsmediziner Gunter Hölz von der Kurklinik Überlingen: „Frauen neigen zu Wassereinlagerungen. Dass sie bei Wickeln Wasser und Umfang verlieren, ist normal, führt aber nicht zur Gewichtsreduktion. Anhaltende Erfolge bringt nur, die Muskelpumpe zu aktivieren und die Ernährung umzustellen.“
Na bravo. Es gibt doch keine Wunder, schade. Trotzdem: Schlankwickeln (um die 30 Euro pro Sitzung) kann man schon mal machen, wenn man am Abend nett aussehen will im Kleinen Schwarzen. Und ehrlich, es gibt schlimmere Starts in den Tag.
Irene Kleber
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