„Feminismus macht sexy“

Wie drei junge Münchnerinnen in ihrem Buch „Wir Alphamädchen“ gegen Klischees und für gute Pornos kämpfen. Was sie an Alice Schwarzer stört, warum Frauenquoten sinnvoll und Speckfalten wurscht sind.
AZ: Wer zahlt im Restaurant? Sie, die Alphamädchen, oder der Mann?
MEREDITH HAAF: Wer gerade Geld hat.
SUSANNE KLINGNER: Oder Bock.
Lassen Sie sich wenigstens in den Mantel helfen?
BARBARA STREIDL: Gerne. Dabei geht’s ja meist um Respekt und nicht um Rangordnung.
Welches Vorurteil über Feministinnen nervt am meisten?
KLINGNER: Dass sie keinen Spaß verstehen.
Und welches stimmt?
HAAF: Dass sie auf Krawall gebürstet sind.
STREIDL: Und wütend.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Kanzlerin, Moderatorinnen dominieren den Polit-Talk und Mädels hängen Jungs in der Schule ab. Gibt es überhaupt noch Gründe, um wütend zu sein?
STREIDL: Sicher: Zum Beispiel die schlechtere Bezahlung, Sexismus im Alltag, immer wieder mal ein „Das gehört sich nicht für eine Frau...“ und die angeblich ganz normale Angst, wenn wir nachts allein durch die Straße laufen.
Trotzdem bezeichnen sich nur wenige Frauen gern als Feministinnen…
KLINGNER: Weil sie fürchten, in eine Schublade mit dem Klischee der frustrierten Emanze gesteckt zu werden.
HAAF: Hinzu kommt leider, dass es generell nicht mehr so angesagt ist, sich zu einer konkreten politischen Haltung zu bekennen.
STREIDL: Und zu Alice Schwarzer. Nicht jede junge Frau ist einverstanden mit dem, wofür sie steht.
Haben Sie ein Problem mit ihr?
KLINGNER: Nein, das Problem ist eher, dass es keine Frau neben ihr gibt. Wenn du etwa in den USA Feministin sein willst und Vorbilder brauchst, kannst du dir von zehn starken Frauen eine aussuchen.
Ist das die Schuld von Frau Schwarzer?
HAAF: In Deutschland wird der Feminismus als etwas Einheitliches, Unbewegliches gesehen, das deckungsgleich mit Frau Schwarzer sein soll. Dadurch finden kaum Debatten statt, und das macht den Feminismus weniger interessant.
Wurde ihr diese Rolle nicht eher aufgezwungen?
HAAF: Einerseits ist da sicherlich sehr viel von Medienseite passiert und Frau Schwarzer schreibt ja auch selbst, dass es für sie damals schockierend war, plötzlich zur Ikone gemacht zu werden.
STREIDL: Es wirkt aber auch nicht unbedingt so, als hätte sie sich sehr dagegen gewehrt.
Sind Sie undankbar?
HAAF: Nein – wir machen eigentlich genau das, was sie will: nämlich als Frauen den Mund auf.
KLINGNER: Wir versuchen, ihre Arbeit für unsere Generation fortzuführen. Und dafür müssen manche Dinge eben neu justiert werden.
In Ihrem neuen Buch „Wir Alphamädchen“ sprechen Sie sich zum Beispiel für Pornografie aus. Warum?
STREIDL: Sieht man Pornografie erst mal nur als die Darstellung von Erotik und Lust, ist dagegen nichts einzuwenden.
HAAF: Problematisch ist neben der menschenfeindlichen Industrie, die oft dahintersteckt, dass manche Männer Verhaltensformen aus den Pornos übernehmen und ihren Frauen zum Beispiel auf die Brüste hauen und denken, das törnt an. Total verrückt. Ein anderes Problem ist, dass die Popkultur immer pornografischer wird. Aber das ist dann eher ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs, kein speziell feministischer.
Wie sieht der perfekte Frauen-Porno aus? Wird da am Schluss geheiratet?
STREIDL: Ein Film für alle Frauen – so was gibt es sicher nicht. Was die eine interessiert, langweilt die andere.
HAAF: In einem guten Pornofilm kann die Frau nachvollziehen, was in ihrem Körper passiert, wie sie erregt wird.
Feministinnen haben besseren Sex, schreiben Sie. Sicher?
KLINGNER: Ganz sicher! Weil sie ein besseres Verhältnis zu sich, zu ihrem Körper haben. Sobald wir aufhören, zum Beispiel ständig über Speckfalten nachzudenken oder darüber, ob man in dem Licht jetzt auch gut aussieht, fangen wir an, uns besser zu fühlen und mehr Spaß im Bett zu haben.
Ein Kapitel heißt „Feminismus macht sexy“ – und sogar Schminken ist jetzt erlaubt.
STREIDL: Das gehört eben auch zu diesen Klischees über Feministinnen: unrasierte Beine, wilde Achselhaare und ein Handspiegel, um in die eigene Vagina zu gucken. Frauen können ruhig Lippenstift benutzen, ohne sich gleich als hilflose Opfer männlicher Phantasien fühlen zu müssen.
Im Buch räumen Sie auch mit der radikalfeministischen Sprachkritik auf. Sollen wir nicht mehr Kanzlerinnenamt und Mitgliederinnen sagen?
HAAF: Mitgliederinnen lieber nicht, das klingt grässlich. Trotzdem könnten wir in unserer alltäglichen Sprache darauf achten, feministisch zu sprechen.
Wenn Schulbuben sich beleidigen wollen, sagen sie „du Mädchen“. Was ist da los?
STREIDL: Besonders in der Umgangssprache gilt das Weibliche oft als etwas Negatives. Wir fluchen lieber geschlechtsneutral.
Wie zum Beispiel?
HAAF: Wie wär’s mit „Arschloch“?
Darf man noch „man“ sagen oder ist das schon unterdrückerisch?
KLINGNER: „Man“ heißt für mich nicht „der Mann“, sondern es ist einfach ein kleines m, ein kleines a und ein kleines n. Man müsste sonst ja auch jefraud statt jemand sagen. Unsere Sprache ist natürlich über die ganze Menschheitsgeschichte männlich geprägt worden. Aber das kann ich ganz gut einfach als gegeben hinnehmen, ohne mich angegriffen zu fühlen. Und: Diese Dinge stehen auf unserer to-do-Liste ziemlich weit unten.
Weiter oben steht die Frauenquote. Ist das nicht Männerdiskriminierung?
STREIDL: Ohne Quote kriegt fast jedes Mal ein Mann die Stelle – durch alte, gut geölte Automatismen.Das ist Diskriminierung.
Aber wer ist schon gerne die „Quotenfrau“?
KLINGNER: Damit sollte jede Frau leben können. Da begegnen einem im Alltag doch schlimmere Vorwürfe. Hilfreich wäre, wenn die Leute mal kapieren würden, dass durch eine Quote nicht einfach irgendeine Frau den Job bekommt, sondern eine Frau mit der gleichen Qualifikation wie der männliche Mitbewerber.
Welche Prominenten sind in Ihren Augen Alphamädchen?
HAAF: Yvonne Catterfeld zum Beispiel. Sie ist eine Feministin und setzt sich für Jugendliche mit Essstörungen ein.
KLINGNER: Judith Holofernes ist auch eine coole Frau. Wie vehement sie sich mit ihrer Band für ein kritisches Konsumverhalten einsetzt, finde ich sehr super. Auch beeindruckend: Die Boxerin Regina Halmich. Die hat eine bis dahin männliche Domäne erobert – und kommt als absolut charmante Lady rüber.
Welche Frau schadet dem Feminismus heute am meisten? Paris Hilton?
HAAF: Ach, sie lebt wie sie lebt: relativ idiotisch. Aber wir wollen ihr daraus keinen Vorwurf machen.
Trotz allem: Was können Männer besser?
HAAF: Weiter werfen und mit ihrem Bierbauch leben?
Interview: Timo Lokoschat, Laura Kaufmann