"Fasten, aber dabei essen": So geht Scheinfasten
AZ-Interview mit Bernd Kleine-Gunk: Der Professor ist Gynäkologe am Metropol Medical Center in Nürnberg, Ernährungsmediziner und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin (GSAAM).

AZ: Herr Kleine-Gunk, viele nehmen sich zum neuen Jahr vor, gesünder zu leben oder abzunehmen. Sie sind Experte fürs Scheinfasten und haben dazu ein Buch veröffentlicht. Was ist Scheinfasten?
BERND KLEINE-GUNK: Das, was der Name auch suggeriert: Ich faste, darf aber dabei essen. Das klingt natürlich fast zu schön, um wahr zu sein. Aber ganz so einfach ist es nicht: Man isst in den fünf Tagen schon deutlich weniger, zwischen 750 und 1.000 Kilokalorien am Tag. Das Schöne aber ist: Man bleibt bei drei Mahlzeiten am Tag und hat aber trotzdem alle Vorteile des klassischen Fastens, wo man gar nichts oder nur Flüssiges zu sich nimmt.
Darum ist Scheinfasten gerade für Ältere geeignet
Welche Vorteile sind das?
Das eine ist natürlich die Gewichtsabnahme, da kann man so mit zwei, drei Kilo rechnen. Das andere Wesentliche ist ein Verjüngungsprozess auf zellulärer Ebene. Dass Fasten eine Anti-Aging-Maßnahme ist, wissen wir seit langer Zeit. Durch den Fastenmodus, in den der Organismus kommt, werden Reparaturmechanismen angekurbelt - in der DNA, in den Struktureiweißen der Zellen - und auch der Abtransport von molekularem Abfall.
Was ist das?
Unsere Zellen sind wie Fabriken. Und wie in allen Fabriken fällt Abfall an. Der wird in der Jugend ganz gut abtransportiert, im Alter funktioniert das nicht mehr so gut und der Abfall sammelt sich an. Das macht die Zelle alt. In den Fastenphasen aber wird der Abfall abtransportiert oder recycelt. Das macht die Zelle fitter.
Ist das Scheinfasten also gerade für Ältere geeignet?
Na ja, das Altern fängt ja schon mit Ende 30 an, da kann man durchaus bereits anfangen.
Darauf muss man beim Scheinfasten verzichten
Zentral ist beim Scheinfasten der Verzicht auf Zucker und auf jegliche tierische Eiweiße, also etwa Käse, Eier, Milch und Fleisch. An den Feiertagen ist wohl viel davon auf den Tellern gelandet. Sollte man da generell besser aufpassen?
Wir essen in Deutschland insgesamt zu viel Fleisch, ja. Da kann man sich zum Beispiel bei asiatischen oder mediterranen Ernährungsformen viel abschauen. Das, was uns gesund macht, steckt eben mehr in Pflanzen als in Fleisch.
Was genau bewirkt der Verzicht auf Zucker und tierische Eiweiße im Körper?
Das bringt den Körper in diesen Fastenmodus, den ich schon angesprochen habe. Der Mechanismus geht dann eher in Richtung Reparatur und Autophagie, das heißt, der molekulare Abfall wird abgebaut. Diesen Mechanismus wirft der Körper an, wenn wenig schnell verfügbare Kohlenhydrate und Eiweiße zur Verfügung stehen. Und das passiert in den fünf Tagen Scheinfasten.
Ist Scheinfasten nicht ein Trend, den Hollywood- Promis propagieren?
Ja, das stimmt, aber für mich als Mediziner ist eher wichtig, dass die Studienlage dazu sehr gut ist. Der Erfinder Valter Longo, einer der führenden amerikanischen Ernährungswissenschaftler, hat das, was er verbreitet, in großen Studien getestet. So abenteuerlich der Name "Scheinfasten" klingen mag, so gut ist es tatsächlich wissenschaftlich abgesichert.
Fünf Tage alle zwei Monate reichen zum Scheinfasten
Wenn man sich an den Ernährungsplan hält, sinkt der Blutzuckerspiegel. Muss man dann also eine Woche Ruhe einplanen oder bleibt man normal leistungsfähig?
Für Stoffwechselgesunde ist das kein Problem. Natürlich sollten Sie in der Woche nicht gerade einen Triathlon einplanen. Aber man ist eigentlich erstaunt, wie leistungsfähig man während der Zeit ist. Aufpassen müssen natürlich Diabetiker. Und Schwangere, Kinder und Jugendliche sollten sowieso keine Diät machen, ebenso wie ganz alte Menschen.
Welche Vorteile gibt es beim Scheinfasten noch?
Es ist, im Gegensatz zum Intervallfasten beispielsweise, auf Langzeit angelegt. Bestimmte Effekte stellen sich dann erst ein. Dafür müssten Sie sonst in eine Fastenklinik gehen, ärztliche Aufsicht haben, was mit viel finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden ist. In vielen Fastenkliniken zahlen Sie einen Haufen Geld dafür, dass Sie nichts zu essen bekommen. Das ist beim Scheinfasten nicht so und es lässt sich gut zu Hause in den Alltag integrieren.
Angedacht ist eine Dauer von fünf Tagen?
Genau. Fünf Tage, am besten alle zwei, drei Monate.
Ist dafür jetzt, nach den Feiertagen, der ideale Zeitpunkt?
Da ist die Motivation traditionell hoch, weil viele ja über Weihnachten nicht gerade abgenommen haben. Mit dem neuen Jahr kommen die guten Vorsätze, dann ist es gut, damit zu starten.
Kleine-Gunk: Ungesunde Ernähung? "Die Dosis macht das Gift"
In Ihrem Buch geht es aber nicht nur ums Fasten, sondern auch um "Sirtfood". Was hat es damit auf sich?
Das Scheinfasten von Valter Longo geht über fünf Tage, aber natürlich fragen die Leute, was mache ich in der Zwischenzeit? Hier empfehlen wir, auf Sirtfood zu setzen. Das sind Lebensmittel, die sirtuinaktivierende Pflanzenstoffe beinhalten. Sirtuine sind Enzyme. Wer sie zu sich nimmt, sorgt auch dafür, die Zellen fit zu machen und molekularen Abfall abzubauen.
Welche Lebensmittel enthalten diese Pflanzenstoffe?
Das ist eine ziemliche Bandbreite, von Äpfeln und Zwiebeln bis zu Rotwein und dunkler Schokolade. Das Schöne ist, es ist eher eine Diät, die nichts verbietet, sondern die einem nahelegt, von bestimmten Lebensmitteln mehr zu nehmen.
In einem gewissen Maß, nehme ich an.
Ja, da wissen wir seit Paracelus: Die Dosis macht das Gift. Eine Flasche Rotwein und eine Tafel Schokolade, so ist das nicht gedacht.
Viele Menschen scheitern an Diäten und Fastenprogrammen. Ist das beim Scheinfasten anders?
Wir wissen, dass von zehn Leuten, die eine Reduktionsdiät machen, neun innerhalb eines Jahres ihr Ausgangsgewicht wieder erreicht oder überschritten haben. Das ist teilweise eine Sache der Motivation, teilweise sind viele Diäten nicht alltagstauglich oder nicht langfristig praktizierbar. Das ist das Schöne am Scheinfasten, man darf dabei essen und hat trotzdem den Vorteil vom Fasten.
"Das neue Easy-Fasten" (128 Seiten; Taschenbuch; 14,99 €) von Bernd Kleine-Gunk und Bernhard Hobelsberger ist diese Woche bei Gräfe und Unzer (GU) erschienen.

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