„Falscher Rockefeller“ vor Gericht
BOSTON - Er gab sich als Nachfahre des berühmten Ölmagnaten John D. Rockefeller aus und entführte seine eigene Tochter. Jetzt muss sich der „falsche Rockefeller“ in Boston vor Gericht verantworten.
Bei dem für Dienstag anberaumten Prozess gegen den Deutschen Christian G. geht es vorrangig um den Vorwurf, er habe seine siebenjährige Tochter aus einer geschiedenen Ehe während eines überwachten Besuchstermins im Juli 2008 entführt. Dabei soll er einen Sozialarbeiter zu Boden gestoßen haben, so dass er auch der Körperverletzung angeklagt ist. Und schließlich wird er beschuldigt, der Polizei einen falschen Namen genannt zu haben.
Letzteres macht den Fall besonders bizarr und mysteriös. Der 48-Jährige G. nennt sich Clark Rockefeller und behauptet fest und steif, der Familie des berühmten Ölmagnaten John D. Rockefeller zu entstammen. Unter diesem falschen Namen soll er sich seit 1993 in die High Society der Vereinigten Staaten eingeschlichen und lange Zeit luxuriös gelebt haben. Seinen Beruf gab er unter anderem als Arzt, Mathematiker oder Kunsthändler an. Zeitweise soll er sich auch als Schauspieler namens Christopher Chichester bezeichnet haben, der aus einem britischen Adelsgeschlecht komme. Die Verteidigung will auf Strafunfähigkeit G.s plädieren. Er habe nach der Scheidung von seiner zweiten Frau und dem Verlust des Sorgerechts für die gemeinsame Tochter unter schweren psychischen Störungen und Depressionen gelitten, so dass er für sein Verhalten nicht verantwortlich gemacht werden könne. Die Staatsanwaltschaft weist dies zurück. G. sei ein Betrüger, der nur auf seinen Vorteil aus sei und die Entführung seiner Tochter monatelang sorgfältig geplant habe.
Nach Scheidung 800.000 Dollar erhalten
Nach den Erkenntnissen der US-Behörden stammt B. aus ganz einfachen Verhältnissen. Demnach wurde er in Oberbayern geboren und wanderte in den 70er Jahren in die USA ein. Damals soll er als Gastschüler bei einer amerikanischen Familie in Connecticut gelebt haben. 1981 heiratete er den Ermittlungen zufolge als 19-Jähriger eine US-Bürgerin – wohl um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Doch schon am Tag nach der Hochzeit soll er verschwunden sein. Seine erste Frau soll als Zeugin vor Gericht aussagen und ebenso seine letzte Ehefrau, die Mutter der entführten Tochter Reigh.
Diese Frau – heute eine erfolgreiche Managerin beim Wirtschaftsberatungsunternehmen McKinsey – heiratete G. unter dem Namen Clark Rockefeller. Als ihr seine falsche Identität klar wurde, ließ sie sich den Ermittlern zufolge scheiden und beantragte eine Einschränkung des Zugang ihres Ex-Mannes zur gemeinsamen Tochter. Im Rahmen eines Vergleichs von 2007 erhielt er 800.000 Dollar (570.000 Euro) und das Recht, seine Tochter drei Mal im Jahr im Beisein eines Sozialarbeiters zu sehen. Diesen soll G. tätlich angegriffen haben, bevor er mit dem kleinen Mädchen verschwand. Nach einer auch international ausgeschriebenen Fahndung wurden Vater und Tochter nach sechs Tagen wohlbehalten in Boston aufgefunden. Von da an aber ermittelte die Justiz gegen den „falschen Rockefeller“. Dieser wird übrigens auch mit dem Verschwinden eines Ehepaars in Kalifornien vor mehr als 20 Jahren in Verbindung gebracht, gilt in diesem Fall zurzeit allerdings nicht als Tatverdächtiger.
Selbstdarstellung als liebevoller Vater
G. selbst hat in Interviews aus seinem Untersuchungsgefängnis alle Vorwürfe zurückgewiesen. Er bestand weiterhin darauf, Clark Rockefeller zu sein, doch könne er sich an seine Kindheit kaum noch erinnern. Zugleich stellte er sich als liebevollen Vater dar. Er habe sich rund um die Uhr um seine Tochter gekümmert, als die Familie noch auf einem teuren Anwesen in Cornish im US-Staat New Hampshire sowie in einem luxuriösen Stadthaus in Boston/Massachusetts gelebt habe. Als er dann das Sorgerecht verloren habe, sei er in ein tiefes Loch gefallen.(AP)
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