Ex-Navy-Seal rät: Überlebens-Tipps für Notsituationen
München - Das neue Jahr hat begonnen und bedeutet für die meisten: gute Vorsätze. Während der eine sich vielleicht einen neuen Job suchen oder das Haus renovieren will, träumen andere davon, mal etwas Abenteuerliches zu machen. Eine Bergwanderung im Schnee vielleicht, oder einen Survival-Urlaub, bei dem man sich ganz auf die ursprünglichen Techniken abseits moderner Hilfsmittel verlassen will. Nur: Was, wenn etwas schief geht?
Der Buchautor Clint Emerson weiß es. 20 Jahre lang hat er Einsätze geleitet, bei der Spezialeinheit Navy Seals der US Navy und der National Security Agency (NSA). Nun teilt er sein Wissen im Ruhestand: In seinem aktuellen Buch "Das Survival Handbuch der Navy Seals" verspricht er nicht weniger als das Überleben in jeder Notsituation. Egal, ob es sich um eine selbstgewählte Auseinandersetzung mit der Natur oder aber um brenzlige Situationen wie Massenpaniken oder Taschendiebstahl handelt, denen man nicht ausweichen kann – Emerson weiß Rat.
Die AZ hat eine Auswahl seiner Tipps aus dem Survival-Handbuch zusammengestellt. "Aussterben ist die Regel, Überleben die Ausnahme", zitiert er Carl Sagan im Vorwort. Also: Seien Sie vorbereitet!
Sonnen-Navigation
Wenn das GPS am Handy mal ausfällt, kann man auf eine jahrtausendealte Technik zurückgreifen: Die Navigation mit den Himmelskörpern, in diesem Fall die Sonne. Emerson erklärt, wie das am einfachsten funktioniert: Indem man bestimmt, in welche Richtung der Schatten fällt. Da die Sonne im Osten aufgeht, fällt der Schatten in der Morgensonne in Richtung Westen. Am Nachmittag, wenn die Sonne gen Westen wandert, zeigt der Schatten dann Richtung Osten.
Komplizierter ist es dagegen in der Mittagszeit, weil da die Sonne so hoch steht, dass sie kaum einen Schatten wirft. Hier ist im Vorteil, wer eine analoge Uhr am Handgelenk hat: Um die Haupthimmelsrichtungen zu bestimmen, so der Experte, heben Sie die Hand, als wollten Sie auf die Uhr sehen und drehen den Körper so, dass die Hand direkt in Richtung Sonne zeigt. In der Winkelhalbierenden – die Linie genau in der Mitte des Winkels – zwischen Stundenzeiger und der Zwölf-Uhr-Markierung befindet sich Süden.
Gegen Unterkühlung
Wer bei sehr kalten Temperaturen etwa am Berg unterwegs ist, nicht die richtige Kleidung trägt oder sich im schlimmsten Fall verirrt, riskiert eine Unterkühlung: Anzeichen dafür sind Schüttelfrost, ein unruhiger Puls und leichte Verwirrung. Sehr kritisch wird es, wenn der Schüttelfrost aufhört und der Puls langsamer wird.
Treten die genannten Symptome auf, rät Emerson, sich sofort zusätzliche Kleidungsschichten anzuziehen, nasse Kleidungsstücke auszuziehen und sie gegen trockene zu tauschen. Außerdem sollten Sie den kalten Boden mit mehreren Pflanzenschichten oder andere Polstermaterialien isolieren.
Wenn Sie eine Notfall-Wärmepackung oder ähnliches dabeihaben, sollte diese am besten unter den Achselhöhlen, um den Hals oder in der Leistenbeuge platziert werden. Hände oder Füße dagegen nicht wärmen, wenn der Rumpf nicht zuvor gewärmt wurde – Blutsturzgefahr!
Gebirgswasser reinigen
Obwohl das Wasser im Gebirge in hohen Lagen im Allgemeinen rein ist, könne man nie sicher sein, dass es nicht etwa durch Tiere verunreinigt wurde, warnt Emerson. Daher ist es gefährlich, selbst kristallklares Gebirgsquellwasser ohne Filtern oder Abkochen zu trinken. Der Autor empfiehlt: Das Wasser bis zum Aufwallen zum Kochen bringen und eine Minute brodeln lassen, plus eine weitere Minute pro 300 Höhenmeter.
Sollten Sie keinen Topf dabei haben, geht das Abkochen auch in einer Plastikflasche. Diese schmilzt nicht, da der Schmelzpunkt des Plastiks höher liegt als der Siedepunkt des Wassers. Trotzdem sollte man den Trick nur im Notfall anwenden, denn viele Plastikflaschen enthalten krebserregende Stoffe. Wenn’s nicht anders geht: Bis zum Überlaufen füllen, mit einem Seil oder einer starken Schnur an einem Dreifuß aus Stöcken befestigen und abkochen. Dass das Wasser kocht, sieht man daran, dass kleine Bläschen entstehen.
Sollte kein Feuer vorhanden sein, kann man ein Loch in der Nähe des Ufers graben und mit Strümpfen oder anderer Kleidung Wasser auffangen.
Massenpanik überleben
Wann immer viele Menschen dicht aufeinander sind, kann es, manchmal durch einen vermeintlich harmlosen Auslöser, zu einer Massenpanik kommen. In einer solchen Situation ist es besonders wichtig, Ruhe zu bewahren und zu wissen, wie man sich schützt: Wichtig sei, so Clint Emerson, dass man die Kontrolle über den zur Verfügung stehenden Raum behält. Dabei hilft es, die Beine weiter auseinander zu stellen und leicht in die Knie zu gehen, für einen stabilen Stand.
Schlurfschritte reduzieren die Zeit, in der das Gewicht nur auf einem Bein ruht. Für die Arme eignet sich die Boxerstellung mit geballten Fäusten und angewinkelten Armen. Zudem sollte man immer versuchen, in Bewegung zu bleiben und Lücken zu nutzen.
Unbedingt vermeiden sollte man, auf den Boden gestoßen zu werden. Geschieht es doch, hilft die Tornado-Position: kniend nach vorn gebeugt, die Hände hinter dem Nacken verschränkt und die Ellenbogen an den Körper gepresst.
Taschendieb austricksen
Sie können an vielen Plätzen zuschlagen, besonders gerne sind Taschendiebe aber an Touristenhochburgen oder in Menschenmengen anzutreffen. Der simple erste Rat des Survival-Autors lautet deshalb: Meiden Sie diese Orte. Gleiches gilt laut Emerson für in Gruppen auftretende Bettler, aggressive Straßenverkäufer oder Räuber, die "versehentlich" Ihre Kleidung schmutzig machen, um dann bei der Säuberung zu helfen.
Wer sich doch in "Risikogebiete" begibt, sollte sein Geld und Wertgegenstände nicht in die Gesäßtasche, sondern in die vordere Hosentasche stecken. Wenn es nicht anders geht, kann bei den Gesäßtaschen eine Art Diebstahlschutz benutzt werden: Stecken Sie einen Kamm in die Geldbörse oder Brieftasche, denn dieser verhakt sich, wenn ein Dieb sie anhebt.
Obwohl man gerne nachprüfen will, ob die Wertsachen noch da sind, ist das laut Emerson keine gute Idee. Denn danach halten Diebe Ausschau, um zu wissen, wo ihre Beute ist.
Plan bei Einbrüchen
Es ist ein Albtraum, wenn Fremde in die eigene Wohnung eindringen – und das Letzte, was man möchte, ist, während einer solchen Krisensituation Entscheidungen treffen zu müssen, sagt Emerson. Deshalb rät er zur Vorbereitung eines Aktionsplans: Fluchtrouten und Sammelpunkte sollten vereinbart und dabei möglichst viele Eventualitäten bedacht werden. Zudem empfiehlt der Autor, tragbare Leitern in den Räumen des zweiten Stocks zur Flucht zu lagern.
Weitere simple Tipps: Handys aufladen und in der Nacht griffbereit und auch den Autoschlüssel in Reichweite aufbewahren, falls es sich bei den Eindringlingen um Angreifer handelt. Sofas, Kommoden oder Bücherregale können als Barrikaden eingesetzt werden. Im Notfall ist es außerdem besser, das Licht ausgeschaltet zu lassen. Im Gegensatz zum Eindringling kennen Sie das Haus gut und finden sich auch im Dunkeln zurecht.
Auch diese (kuriosen) Dinge lernen Sie vom Überlebens-Profi
Während man sich bei vielen der Tipps, die Bestseller-Autor Clint Emerson gibt, durchaus vorstellen kann, sie irgendwann einmal anzuwenden – fast jeder kennt wohl eine Urlaubsgeschichte über einen dreisten Taschendieb und den anschließenden Besuch bei der örtlichen Polizei – gibt es in dem sehr umfassenden Register auch einige Gefahrensituationen, die im normalen Alltag oder Urlaub wohl eher selten entstehen. Falls Sie doch mal in die Verlegenheit kommen – von Emerson lernen Sie auch:
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Clint Emerson: "Das Survival-Handbuch der Navy Seals. So überleben Sie jede Notsituation – vom Unglück in den Bergen bis zu Terroranschlägen". Erschienen im Riva Verlag, November 2017. 288 Seiten. 19,99 Euro
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