Europaweite Jagd auf Verkehrssünder
Brüssel - Raser, Rotlicht-Sünder, Gurtmuffel und Viel-Telefonierer am Steuer sollten sich diesen Tag merken: Ab dem 6. Mai werden ihre Verkehrsverstöße nämlich nicht nur innerhalb der eigenen Grenzen, sondern auch im EU-Ausland verfolgt. Einen entsprechenden Beschluss des Europäischen Parlamentes haben die Vertreter der 28 Mitgliedsländer gestern in Brüssel in Kraft gesetzt.
Die Betroffenen: Das sind auch Autofahrer, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss unterwegs sind sowie Motorrad-Lenker ohne geeigneten Schutzhelm. Zum Strafkatalog gehört darüber hinaus das „unbefugte Benutzen“ eines nicht freigegebenen Fahrstreifens (zum Beispiel der Standspur). Zwar gilt die Regelung theoretisch schon seit 2013, nun aber wurde sie formell in Kraft gesetzt und sogar noch erweitert: Innerhalb der nächsten zwei Jahre steigen auch Großbritannien, Irland und Dänemark in das europäische System ein.
Die Sünder: Tatsächlich ist das Ausmaß der Verstöße, die von EU-Ausländern begangen werden, nämlich dramatisch. Nach Angaben der EU-Kommission sind die Fahrer aus der Nachbarschaft bis zu drei Mal mehr an Verkehrssünden beteiligt als einheimische Auto-Lenker. „In Hoch-Zeiten“, so heißt es in dem Beschluss weiter, liege der „Anteil Gebietsfremder an Geschwindigkeitsübertretungen“ bei über 50 Prozent.
Die Ziele Verkehrssicherheitsexperten und Politik erhoffen sich von der Neuregelung einen deutlichen Schritt gegen die nach wie vor hohe Zahl von Verkehrsopfern. Vor allem sei die Vorschrift ein Beitrag gegen die ungleiche Behandlung innerhalb der Mitgliedstaaten. Gingen beispielsweise die niederländischen Behörden schon bisher konsequent gegen ausländische Rowdys auf der Straße vor, galten die belgischen Stellen als eher zurückhaltend.
Das Schlupfloch: Wohl auch deshalb, weil man stets den Umweg über private Inkasso-Büros gehen musste, wenn man denn überhaupt an die Daten des Fahrzeughalters herankam. Genau diese Lücke ist aber immer noch nicht geschlossen und kommt deutschen Fahrern weiter zu Hilfe. Mit Blick auf die hiesige Rechtslage lehnt die Bundesrepublik die Amtshilfe nämlich ab, wenn der Fahrer nicht zweifelsfrei identifiziert werden kann. Zwar werde man, so heißt es in einem Zusatzvermerk zur gestern beschlossenen Regelung, den Behörden eines Nachbarstaates die Daten des Fahrzeughalters zur Verfügung stellen.
Diese dürften aber nur dazu dienen, den Lenker herauszufinden. Sollte dies nicht möglich sein, wollen die Ämter hierzulande Strafbescheide aber nicht vollziehen. Dies ist der Grund dafür, weshalb man Verkehrsverstöße von deutschen Autofahrern „meist sofort vor Ort ahnden“ wolle – was im Übrigen bis zur zeitweisen Stilllegung des Gefährtes reichen kann. Dass die EU-Richtlinie damit faktisch in der Bundesrepublik außer Kraft gesetzt wurde, nimmt die EU hin. Zumindest bis 2016. Dann soll eine erste Bilanz vorgelegt werden, um weitere Schritte zu beraten.