„Euren Scheiß können wir schon lange!“
Deutschlands berühmtester Showmaster wehrt sich mit Bäh-Fernsehen gegen das Trash-TV von RTL. Er serviert seinen Kandidaten Tierkot.
Er sah aus wie ein furchtloser Musketier mit seinem D’Artagnan-Bärtchen und der grünblauen Westen-Frack-Kombination – und doch muss Thomas Gottschalk der Quoten-Angstschweiß unter der Verkleidung gestanden haben. „Jetzt laufen wir direkt gegen den Dschungel“, quälte sich seine TV-Majestät in der 179. Ausgabe von „Wetten, dass..." ab, als drüben bei RTL das „Dschungelfinale“ mit Ekel-Königin Ingrid van Bergen gerade auf dem Höhepunkt lief. Trotzig maulte er: „Euren Scheiß können wir schon lange.“
Was nun folgte, war Bäh-Fernsehen gegen Trash-TV. In einer Kot-Wette ließ Gottschalk zwei Tierpfleger an 33 braun-dampfenden, auf glänzenden Serviertellern angerichteten Zootier-Haufen schnüffeln und die Gestankverursacher zuordnen. ZDF-Schimpansen-Kot gegen RTL-Känguruhoden. Ekel gegen Grausen. Gestank gegen Gekrabbel. „33 Formen von Scheiße, da macht 9Live ein ganzes Programm draus“, witzelte Gottschalk. Das Publikum wand sich angewidert. Die Studiogäste kämpften gegen den Würge-Reiz. Ein erbärmlicher Moment fürs Zweite Deutsche Fernsehen. Wie tief geht es noch?
„Es ist der nackte Überlebenskampf“, urteilt die Münchner Psychologin Dorothea Böhm. „Gottschalk scheint so verschreckt vom Wettbewerb, dass er sich in höchster Angst das Dschungel-Ekel-Prinzip zueigen zu macht.“ Mehr als dessen persönliche Nöte aber zeichnet die „Wetten-dass“-Entgleisung wohl das Dekadenzniveau der Deutschen. Millionen Zuschauer sahen den Beginn der Kot-Wette, nur eine Million zappte weg – aber auch nur rüber zum RTL-Dschungel-Camp, wo die Zuschauerzahlen emporschnellten (siehe Grafik).
„Die Kot-Wette entspricht dem, was die Gesellschaft sehen will, was ihr also entspricht“, sagt Dorothea Böhm.
Erst im vergangenen Herbst hatte das ZDF feierlich eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben, in der von „Kulturvermittlung“ die Rede ist, von der „spielerischen Auseinandersetzung mit Themen der Gesellschaft und der Kultur“. Gottschalk schwang sich zum Qualitätshüter auf, diskutierte mit Marcel Reich-Ranicki über das TV-Niveau. Wie soll das mit der Mist-Sendung vom Wochenende zusammengehen?
Vom Start weg kam Gottschalk nicht ohne Anspielungen auf den unliebsamen Konkurrenten aus („Ich hab mir extra das Bärtchen stehen lassen, damit die Leute mich beim Vorbeizappen nicht für Ingrid van Bergen halten). „Das hier ist besser als jedes Dschungelcamp", ließ er brav Studiogast Jörg Pilawa sekundieren, Comedian Michael Mittermeier assistierte mit Blick auf die Studiogäste Tom Cruise und Ex-Dschungelkönigin Desirée Nick: „Hier sind der Schöne und das Biest – ich glaub, hier sind wir richtig.“
Tom Cruise, unterwegs auf Werbereise
Der Rest war Langeweile. Stargast Tom Cruise, unterwegs auf Werbereise für seinen Film „Operation Walküre“, gab nichts als Plattitüden von sich, die Gespräche mit Mick-Jagger-Ex Jerry Hall und dem 16-jährigen Hamburger Model Toni Garrn kamen nicht in Gang. Coldplay und Seal spulten ihre Songs routiniert ab, während Peter Maffay Raum für großes Gähnen ließ.
Auf den neuen Ekelfaktor in „Wetten, dass...“ angesprochen, reagiert Gottschalk wenig erheitert: „Schließlich müssen unsere Kandidaten keine Sterne aus dem Tierkot fischen, sondern die richtige Tiersorte am Geruch erkennen", sagte er der „Bild am Sonntag". Die Tierpfleger nähmen ihren Beruf ernst und die Sendung käme sogar ihrem Bildungsauftrag nach.
Retten dürfte ihn das kaum noch. Schon nach der vergangenen Sendung wurden die Rufe zunehmend laut, Thomas Gottschalk bald in die TV-Rente zu schicken. Ist er nach der nächsten reif dafür?
Irene Kleber