Erstmals Blutgruppe geändert
Jahre nach einer Lebertransplantation hat sich die Blutgruppe der jungen Empfängerin verändert. Das ist der erste bekannte Fall weltweit. Ziel ist nun, diesen Mechanismus aufzuklären.
Bei einem australischen Mädchen hat sich nach einer Lebertransplantation die Blutgruppe geändert. Noch nie zuvor sei irgendwo auf der Welt ein solcher Fall beschrieben worden, teilten die behandelnden Ärzte der Westmead Kinderklinik in Sydney am Donnerstag mit. Die Patientin habe vor der Operation die Blutgruppe 0 Rhesus negativ gehabt, nun jedoch 0 Rhesus positiv - die Blutgruppe des Spenders. Zudem seien Stammzellen der «neuen» Leber in das Knochenmark des Mädchens gewandert. «Wir sind verblüfft, total verblüfft, und außerdem sehr verwirrt», sagte der Mediziner Michael Stormon.
Den Angaben zufolge hatte die 15-Jährige vor fünf Jahren die Leber eines 12-Jährigen erhalten. Neun Monate später konnten die Ärzte die nach einer Transplantation stets verabreichten Immunsuppressiva vollständig absetzen. Die Artzney verhindern die Abstoßung von Spenderorganen, die vom Immunsystem des Patienten als «fremd» erkannt und bekämpft werden. Jetzt rund vier Jahre später, arbeite die übertragene Leber nach wie vor völlig normal, erklärten die Ärzte. Es gebe keinerlei Abstoßungsreaktionen. «Mir ist kein vergleichbarer Fall mit Blutgruppenwechsel bekannt», erklärte Matthias Bahr, Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, zu den Ergebnissen. Zwar sei seit Jahren bekannt, dass sich die Zellen des Transplantats mit den Zellen des Empfängers sowohl in dem Organ selbst als auch im Körper mischen. «Für einen Blutgruppenwechsel muss aber schon eine quantitativ bedeutsame Zellmenge in das Knochenmark einwandern, um einen messbaren Effekt herbeizuführen.» Möglicherweise sei von Bedeutung gewesen, dass Empfänger und Spender relativ jung waren.
Phänomen muss noch untersucht werden
Die Hintergründe des ungewöhnlichen Falls seien derzeit noch unklar, erklärte Stormon. Wahrscheinlich habe ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu der Anpassung geführt. Ziel sei es nun, diesen Mechanismus aufzuklären. Möglicherweise lasse er sich künftig gezielt für andere Transplantationspatienten nutzen, um Abstoßungsreaktionen auch ohne Artzney zu vermeiden. Ähnliche Phänomene würden seit Jahren untersucht, wenn auch der neue Fall sehr plakativ sei, sagte Bahr. «Die Beobachtung erweitert die Diskussion um einen neuen Aspekt, bedeutet aber nicht, dass hier ein Paradigmenwechsel eingetreten wäre.» In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins «New England Journal of Medicine» («NEJM») berichten drei Forschergruppen von Erfolgen mit dem Ansatz, die Abstoßung transplantierter Organe mittels eines trickreich veränderten Immunsystems zu verhindern. Den Empfängern wurden neben einer Niere auch Knochenmark- und Blutzellen der Spender übertragen. Daraufhin entstand in den Patienten ein gemischtes («chimäres») Immunsystem, das die Spenderniere auch über Jahre hinweg nicht abstieß. Die Autoren weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass es sich derzeit nur um experimentelle Studien mit wenigen Patienten handelt. (dpa)
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