Erste Milchbauern kapitulieren

Viele deutsche Bauern räumen ihre Posten vor den Molkereien: Die Milchwirtschaft drohte ihnen mit Schadensersatzforderungen. Auch aus der Politik kommt Kritik.
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Demonstrieren weniger: Deutsche Milchbauern.
dpa Demonstrieren weniger: Deutsche Milchbauern.

Viele deutsche Bauern räumen ihre Posten vor den Molkereien: Die Milchwirtschaft drohte ihnen mit Schadensersatzforderungen. Auch aus der Politik kommt Kritik.

Die protestierenden Milchbauern haben ihre Blockaden von Molkereien am Dienstag zum Teil wieder aufgelöst. Andere Betriebe wurden aber weiter von der Milchlieferung abgeschnitten, etwa Europas größte Molkerei Sachsenmilch in Leppersdorf bei Dresden. Einige Betriebe mussten die Produktion einstellen, darunter die rheinland- pfälzischen Großmolkereien Hochwald und Milch-Union Hocheifel (MUH).

In Schleswig-Holstein wurden die Blockaden von 14 Molkereien beendet. Stattdessen trafen sich rund 500 Landwirte in Kiel zu einer Demonstration. Auch in Niedersachsen zogen die Milchbauern vor den Toren dreier Molkereien in der Nacht ab. Allerdings nicht ganz freiwillig: Am Nordmilch-Werk in Edewecht sei ihnen eine Schadensersatzforderung in Höhe einer halben Million Euro angedroht worden, sagte Protest-Organisator Heinrich Rauert. Die Milchbauern Sachsen-Anhalts weiteten ihren Kampf um höhere Preise hingegen aus.

Landwirtschaftsminister verurteilen Blockaden

Die Landwirtschaftsminister mehrerer Bundesländer haben die Blockadeaktionen der Milchbauern am Dienstag parteiübergreifend verurteilt. Die Politiker von CDU und SPD zeigten aber Verständnis für die Forderung nach höheren Erzeugerpreisen. Der hessische Landwirtschaftsminister Wilhelm Dietzel (CDU) mahnte zu einer Lösung am Verhandlungstisch. Dietzel äußerte sich in einer Erklärung verärgert darüber, dass «einige wenige über die Stränge schlagen». Problematisch werde es, wenn Zufahrtswege blockiert und somit andere Landwirte oder Molkereien geschädigt würden. «Blockierer müssen sich dann gegebenenfalls auf Nötigungs- und Entschädigungsanzeigen einstellen», erklärte Dietzel.

«Milchauszahlungspreis muss stimmen»

Sein Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), sagte ebenfalls, er habe kein Verständnis für Blockaden. Mit Blick auf den Welternährungsgipfel schlug er vor, die Milchbauern sollten zwar die Lieferungen an die Molkereien stoppen, «aber die Produktion sollte aus meiner Sicht tatsächlich verarbeitet werden. 50 Prozent sollte dann als Milchpulver an die Betriebe zurückgehen und die anderen 50 Prozent sollten dann in die Welternährungshilfe hinein gegeben werden», sagte Backhaus dem NDR.

Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) merkte an, dass einige Bauern zu niedrigen Preisen nicht mehr liefern wollten, habe bundesweit für Aussehen gesorgt, «Das war auch wichtig, denn die Milch verdient diese Debatte und der Milchauszahlungspreis muss stimmen», sagte er ebenfalls NDR Info. Illegale Handlungen dagegen «kann wirklich niemand befürworten». Boetticher sagte, natürlich «ist der Druck am Ende beim Einzelhandel. Er muss auch dem Verbraucher erklären, warum er für den Liter Milch nur so wenige Cent zahlt». Für die Bauern ruinöse Preise von teilweise deutlich unter 30 Cent würden «dazu führen, dass langfristig unsere Milch aus Neuseeland kommen wird. Das kann sich kein Verbraucher wünschen».

Die Proteste zeigen inzwischen erste Wirkung: In niedersächsischen Supermärkten gibt es nach Angaben des Einzelhandelsverbands vereinzelt Engpässe bei der Frischmilch. Auch in einigen Läden des drittgrößten deutschen Discounters Plus gab es Lücken in den Regalen, bestätigte eine Sprecherin der Tengelmann-Tochter in Mülheim an der Ruhr.

Nerven liegen blank

Für die Schweizer Milchproduzenten hat sich der Lieferboykott bereits ausgezahlt: Sie erhalten von Juli an für ein halbes Jahr sechs Rappen (fast vier Cent) mehr pro Kilo Milch. Es habe Indizien für ein Abbröckeln der Streikfront gegeben, teilte die bäuerliche Interessengruppe für Marktkampf (BIG-M) mit. Die Nerven seien insbesondere bei jenen Milchbauern blank gelegen, die sich seit dem vergangenen Mittwoch am Streik beteiligt hätten. Die Westschweizer Bauerngewerkschaft Uniterre setze die Proteste aber noch mindestens bis zum Dienstagabend fort. Man wolle den Kompromiss zunächst den Produzenten vorlegen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass man den Verband an den Verhandlungstisch zurückschicke. Die deutschen Bauern boykottieren seit einer Woche die Molkereien, um höhere Preise für Milch zu erzwingen. (dpa/AP)

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