Erfurt: Totes Baby in der Tiefkühltruhe - ein Bestattungsritual?

Die Fälle häufen sich: In einem Mietshaust wurde die Leiche eines kleinen Kindes in einer Tiefkühltruhe entdeckt. Was treibt Mütter immer wieder zu solchen Taten?
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In diesem Haus in Erfurt wurde die Babyleiche in einer Tiefkühltruhe gefunden
dpa In diesem Haus in Erfurt wurde die Babyleiche in einer Tiefkühltruhe gefunden

Erfurt - Die Fälle häufen sich: In einem Mietshaust wurde die Leiche eines kleinen Kindes in einer Tiefkühltruhe entdeckt. Was treibt Mütter immer wieder zu solchen Taten?

Schon wieder ist ein totes Baby in einer Tiefkühltruhe gefunden worden: Die Leiche eines neugeborenen Jungen wurde bereits am Dienstagabend in Erfurt entdeckt. Gegen die 37-jährige mutmaßliche Mutter wird wegen Totschlags ermittelt, so der Sprecher der Erfurter Staatsanwaltschaft, Hannes Grünseisen.

Wegen des gefrorenen Zustandes des Säuglingskörpers kann die Obduktion voraussichtlich erst am (morgigen) Donnerstag vorgenommen werden. Das tote Neugeborene wurde den Angaben zufolge in einer Wohnung im Erfurter Norden gefunden. Weitere Details zur Vernehmung der Frau wollte Grünseisen „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht preisgeben, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.

Immer wieder töten Mütter ihre Kinder

27. April 2009: Wegen der Tötung von zwei neugeborenen Babys verurteilt das Landgericht Halle eine 28-jährige Bürokauffrau wegen zweifachen Totschlags zu acht Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Eines der toten Kinder fand ihr Lebensgefährte in der Waschmaschine, ein zweites entdeckten die Ermittler auf dem verwilderten Grundstück.

20. April 2008: Im sächsischen Elsterberg finden die Besitzer eines Einfamilienhauses auf dem Dachboden in einem Karton das tote Baby ihrer 22-jährigen Tochter. Die Medizinstudentin erklärt, sie habe das Mädchen im November 2007 in München allein zur Welt gebracht, es sei da bereits tot gewesen.

27. November 2007: Beamte entdecken in Plauen nach Hinweisen des örtlichen Gesundheitsamtes die Leiche eines 2002 geborenen Säuglings in einem Koffer, den die 28-jährige Mutter aus dem sächsischen Plauen bei Verwandten versteckt hat. Am 5. Dezember werden in Plauen zwei weitere tote Babys entdeckt.

14. April 2007: Ein 15-Jähriger entdeckt im Tiefkühlschrank der Wohnung seiner Mutter in Erfurt zwei Babyleichen. Die 35-Jährige gesteht, die Kinder nach der Geburt in Müllsäcke verpackt in die Tiefkühltruhe gelegt zu haben. Das Landgericht Erfurt verurteilt sie wegen zweifachen Totschlags zu zwölf Jahren Haft.

15. März 2007: Eine 32-jährige Frau aus dem Raum Hof in Bayern gesteht, im vergangenen Jahr ihr Baby kurz nach der Geburt mit einer Decke erstickt zu haben. Die Polizei birgt die Leiche des Jungen aus einem Teich.

17. Januar 2007: Im thüringischen Thörey werden bei Abrissarbeiten die Überreste von drei Babyleichen in der Zwischendecke einer Garage entdeckt. Eine 21-jährige Frau aus Erfurt gesteht, mit 16 Jahren einen Jungen und später zwei weitere Kinder kurz nach der Geburt dort versteckt zu haben.

Für den Münchner Psychiater Professor Michael Soyka ist die Häufung solcher Fälle überraschend. Besonders tragisch: In den seltensten Fälle handelte es sich dabei um psychisch kranke Mütter, die zum Beispiel unter einer Schwangerschaftsdepression leiden.

Viel häufiger seien ungewollte Schwangerschaften oder die Überforderung der Mutter mit der Erziehung oder Pflege des Kindes. Soyka: "Meistens sind es alleinerziehende Mütter, oft aus niedrigem sozialem Niveau".

Warum viele Mütter ihre toten Kinder in die Tiefkühltruhe stecken, erklärt der Psychiater so: "Es handelt sich um eine Art Bestattungsritual. Die Mutter kann die Illusion haben, das Kind sei nicht ganz weg, noch irgendwie da." Allerdings müsse es eine starke Belastung für die Täterinnen sein, die Leichen in so großer räumlicher Nähe zu wissen. Michael Heinrich

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