Erfahrungsbericht: So lief meine Woche ohne Plastik

37 Kilo Müll produziert jeder Deutsche pro Jahr. Wie viel davon ist vermeidbar? Eine Woche verzichtet Redakteurin Marie Sepaintner bewusst auf Kunststoff.
von  Marie Sepaintner, sf, rom
Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz.
Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz.

München - Bayerische Flüsse sind mit Plastik belastet: Das hat ein Forschungsprojekt des Umweltministeriums ergeben. 30 bis 70 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter wurden durchschnittlich in den Flüssen Donau, Inn, Isar und Altmühl gefunden. Mikroplastik sind winzige Kunststoffteile. Sie entstehen durch die Zersetzung von größeren Plastikteilen, durch den Abrieb von Autoreifen auf Straßen oder durch das Waschen von synthetischer Kleidung. Hochgiftige Schadstoffe wie Pestizide lagern sich teilweise daran ab. Sogar in manchen Kosmetikprodukten findet sich Mikroplastik.

Versuch: Eine Woche auf Plastik verzichten

37 Kilogramm Verpackungsmüll produziert jeder Deutsche pro Jahr – sechs Kilogramm mehr als der EU-Durchschnitt. Grund genug, einen Versuch zu wagen. Klappt es, eine Woche auf Plastik zu verzichten? Im Bad, in der Arbeit, beim Einkaufen und im Haushalt war die Suche nach einem Plastik-Ersatz nicht immer einfach – mein Erfahrungsbericht:

Beim Einkaufen

Die Verkäuferin hinter der Käsetheke zieht die Augenbrauen hoch. Pause. "Wie? Nein, das geht nicht", sagt sie und schüttelt den Kopf. "Aber wenn...?" kriege ich noch heraus, bevor sie mich unterbricht: "Aus Hygienegründen." Dabei wollte ich nur, dass sie mir Käse in meine Box packt. Vielleicht ist sie nur deshalb so kurz angebunden, weil heute Samstag ist und neben mir noch andere Frauen auf Käse (in Plastik) warten.

Na gut, ich hab’s probiert. Aber Nudeln sollte es doch ohne Plastikverpackung geben. Von wegen: Im Regal umhüllt Plastik die Spaghetti, die Farfalle rascheln in einer glänzenden Schicht und die Penne zähmt bunt bedruckter Kunststoff. Nur eine Marke gibt es in Pappe verpackt – wäre da nicht ein Plastikfenster, damit man sieht, welche Nudeln in der Packung sind. Die Abbildungen auf der Pappbox könnten schließlich hinterlistige Täuschungen sein. Allein die bunten Tagliatelle kommen ganz ohne Plastik aus.

Viel einfacher ist es bei Obst und Gemüse. Äpfel kaufe ich lose, Bananen kommen in meine Stofftasche, Karotten und Tomaten landen ohne Tüte im Wagen. Schnell noch Milch in der Flasche und Joghurt im Glas einpacken – ab zur Kasse. Ohne Kommentar wiegt die Kassiererin alles einzeln ab. Das war einfach.

Im Badezimmer

Ich beiße auf eine kleine weiße Tablette. Gänsehaut. Es fühlt sich kurz so an, als hätte ich Sand im Mund. Wieder Gänsehaut. An diese Zahnputztabletten muss ich mich wirklich noch gewöhnen. Meine normale Zahncreme ist wegen der Plastikverpackung diese Woche tabu. Kurz die neue Bambus-Zahnbürste nass gemacht und schon schrubbe ich völlig plastikfrei meine Zähne.

Auch beim Duschen hat die Suche nach einem Ersatz für Shampoo und Duschgel in der Plastikflasche so ihre Tücken: Die Lavendel-Kernseife flutscht mir immer wieder aus der Hand, knallt auf den Boden und saust durch die Duschkabine. Das wird im Laufe der Woche übrigens nicht besser.

Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz.
Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz.

Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz. Foto: Marie Sepaintner

Wenigstens die Rosenseife fürs Haar fühlt sich nach dem Auftragen fast wie richtiges Shampoo an. Und dieser Duft! Auch nach dem Selbstversuch tausche ich sie nicht wieder gegen normales Shampoo. Bis zu 70 Mal kann ich mir damit meine Haare waschen. Doch der plastikfreie Ersatz im Badezimmer hat es preislich in sich: Fast zehn Euro zahle ich für die Haarseife, vier Euro für die Zahnbürste mit Bambusgriff und Nylon-Borsten, über sieben Euro für die Zahnputztabletten. Aber ganz ehrlich: So ganz ohne Plastik – das fühlt sich gut an.

In der Arbeit

Mittags hole ich mir mit Kollegen etwas zum Mitnehmen bei einem Imbiss. Eine eigene Box habe ich leider vergessen und die Imbiss-Plastikbox will ich nicht benutzen. Bleibt nur eine Tupperbox aus der Redaktionsküche. Meine Kollegen drücken ein Auge zu. Die Tupperbox wird schließlich mehrmals verwendet und landet nicht gleich wieder im Müll.

Den Beilagensalat stellt mir die Verkäuferin aber in einer Plastikbox auf die Theke. Nein – den Salat hab’ ich ganz vergessen! Mein Kollege trägt den Störfaktor Plastik bis zur Redaktion. Damit berühre ich den Kunststoff wenigstens nicht. Macht es das besser? Ich weiß nicht. Nun habe ich wegen einer kleinen Plastikbox ein schlechtes Gewissen – vor einer Woche noch unvorstellbar.

Ansonsten ist die Woche ohne Kunststoff in der Arbeit gut zu meistern. Den Tee im Thermobecher lasse ich zu Hause, dafür kommt eine große Glasflasche mit Wasser in meinen Jutebeutel. Die ist zwar ziemlich schwer und klimpert zusammen mit dem Smoothie im Glas auf meinem Rücken, sorgt aber wieder für ein richtig positives Gefühl.

Im Haushalt

Kernseife-Späne rieseln in eine Edelstahl-Schüssel und begraben die Späne der Gallseife unter sich: Ich mische mir heute mein eigenes Waschmittel. Ein paar Tropfen Orangenöl – fertig ist das plastikfreie Waschpulver. Im Internet hätte es noch andere Anleitungen gegeben: mit Zitronensäure, Waschsoda oder sogar mit Kastanien. Zur Sicherheit packe ich die Waschmaschine nur mit meinen eigenen Klamotten voll. 48 Minuten Feinwäsche später strömt Orangenduft durch den Keller. Und die Wäsche? Wie immer. Nur nicht ganz so weich.

Das Fazit nach einer Woche

Für ein plastikfreies Leben von heute auf morgen braucht man vor allem: Vorbereitungszeit. Sonst steht man an Tag eins im Badezimmer und kann sich nicht mal die Zähne putzen. Ansonsten ist es leicht: Überall gibt es Alternativen, überall Lösungen. Man muss nur mehr Zeit und oft mehr Geld investieren. Für den Versuch habe ich vieles in einem Laden gekauft, der Pflegeprodukte und Lebensmittel ohne Verpackung anbietet (in München zum Beispiel der Laden "Ohne – der verpackungsfreie Supermarkt" in der Schellingstraße 42).

Mein Projekt "Plastikfrei" hat im Freundeskreis zu Diskussionen geführt, wie viel Plastik verwendet wird. Und solche Diskussionen sind ein Anfang. Ich werde in Zukunft weiterhin Obst und Gemüse einzeln abwiegen lassen, Kernseife benutzen und hin und wieder probieren, ob ich Käse oder Wurst in meine Box gepackt bekomme.


Im Büro Abfall sparen

  • Drucker: Stichwort Druckerpatronen: 90 Prozent werden weggeworfen, wenn sie leer sind. Das aber muss nicht sein. Lieferanten nehmen große Toner für Laserdrucker zurück. Zudem lässt sich damit auch Geld verdienen und zwar hier: www.geldfuermuell.de und www.abfallbringtgeld.de.
  • Wasserspender: Eine Alternative zu Plastik-Wasserspendern sind Wasserspender, die an die Wasserleitung angeschlossen werden. Statt Pappbecher einfach Gläser drunterstellen.
  • Pad- und Kapselmaschinen: Sie verursachen viel Abfall. Frischen Kaffee ohne viel Müll gibt es dagegen aus Kaffeevollautomaten. Das lohnt sich vor allem dann, wenn viele einzelne Tassen gemacht werden.
  • Milch: Eine Alternative zur Kaffeemilch im Tetrapack ist Milch in Glasflaschen.
  • Zucker: Auch den Zucker braucht es nicht in Einzelpackungen, er kann in Glas- oder Porzellangefäße eingefüllt werden.
  • Brotzeit: Wer sich die Brotzeit oder das Mittagessen ins Büro mitbringt, sollte auf Frischhalte-und Alufolie verzichten und dafür besser auf haltbare Behälter setzen. Diese kann man immer wieder benutzen. Das gilt auch fürs Essen in der Schule.
  • Schulhefte: Dort wird auch sonst unnötig Müll produziert, etwa bei den Plastikumschlägen für Hefte. Jedes Jahr werden in Deutschland um die 200 Millionen Schulhefte gekauft und häufig in Plastikumschlage gesteckt. Mit weniger Plastik geht es hier aber auch: Die Heftumschläge gibt es auch aus recyceltem Karton. Sie halten länger als Umschläge aus Papier.
  • Stifte und mehr: Textmarker gibt es aus Holz. Genauso Füller. Tintenpatronen können durch Konverter ersetzt werden. Die setzt man anstelle einer Patrone in den Füller ein. Die Tinte dazu stammt aus einem Tintenfass. Radiergummis aus Naturkautschuk sind umweltfreundlich.
  • Schulranzen: Anstelle dessen können Eltern ihren Kindern Taschen aus Bioleder und Rucksäcke aus Baumwolle und Hanf kaufen (gibt es beispielsweise in Öko-Versandhäusern).

Mehr Tipps im Buch von Nadine Schubert: Noch besser leben ohne Plastik


Im Haushalt bewusster leben

  • Obst und Gemüse: "Es stellt sich schon die Frage, ob eine Gurke noch mal eingeschweißt werden muss", sagt Benjamin Bongardt vom Bund Naturschutz. Verbraucher können hier ganz einfach zur unverpackten Gurke oder Tomate greifen und somit leicht Plastik sparen.
  • Große Verpackungen: Wenn schon verpackt, dann sind Bongardt zufolge große Verpackungen sinnvoller als viele kleine. Manche Lebensmittel lassen sich gut lagern – die könne man so problemlos auf Vorrat kaufen. Doch Vorsicht: Nicht die große Packung kaufen und dann Reste wegwerfen.
  • Eigener Beutel: Dass viele Supermärkte auf Plastiktüten verzichten, sei ein erster guter Schritt, findet Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Sie durch Papiertüten zu ersetzen, sei aber auch nicht die ideale Lösung. Wer einkaufen geht, sollte seinen eigenen Stoffbeutel oder eine Tasche mitbringen. Das rät auch "Zero Waste"-Bloggerin Shia Su. Sie hat immer einen Jutebeutel beim Einkaufen parat. Danach lassen sich diese ganz einfach waschen.
  • Mehrweg: "Mehrweg ist immer besser als Einweg", sagt Buschmann. Einwegverpackungen wie Einwegflaschen oder Dosen sind nicht nachhaltig. Buschmann rät, Joghurtbecher oder Dosen zumindest noch als Aufbewahrungsmittel im Haushalt weiterzuverwenden.
  • Einkaufsliste: "Wir lassen uns überrumpeln von unserem Hunger und kaufen Dinge, die wir nicht brauchen", beschreibt es Buschmann. Das bringt nicht nur zusätzlichen Verpackungsmüll hervor, im schlimmsten Fall werden auch noch wertvolle Lebensmittel weggeschmissen. Deswegen: niemals ohne Einkaufsliste losziehen.
  • Unverpackt-Läden: In vielen größeren Städten gibt es mittlerweile Läden, in denen Lebensmittel nicht verpackt sind, sondern abgefüllt werden können. Wenn man den Laden nicht erst über eine weite Strecke mit dem Auto anfahren müsse, sei das eine gute Alternative zum Supermarkt, so der Experte.
  • Wiederverwendbares: Bloggerin Shia Su setzt im Haushalt auf Stofftaschentücher anstatt auf Tempos, auf Silikonbackförmchen anstelle von Muffinpapierförmchen oder auch auf ein Tee-Ei anstatt eines Teebeutels.
  • Putzen mit Baumwolltüchern: Sie kann man kaufen oder aus alten T-Shirts selber zuschneiden. Nach einer Wäsche bei 95 Grad sind sie wieder frei von Keimen.
  • Spülen mit Zitronen: Geschirrreiniger lässt sich selbst herstellen – und zwar so: Drei Zitronen achteln und mit 200 g Salz, 100 ml Apfelessig und 300 ml kochendem Wasser mixen. Danach muss man es nur noch filtern.
  • Leitungswasser trinken: Shia Su verzichtet zudem komplett auf Plastikflaschen und Tetrapaks. Sie trinkt nur Leitungswasser. Und wenn es doch mal was anderes sein soll, rät sie: "Wenn, dann lieber auf Getränke in Glasflaschen ausweichen. Biere am besten lokal und in Flaschen mit Ploppverschlüssen statt Kronkorken kaufen." Mehrwegflaschen aus Glas werden laut dem Buch "Besser leben ohne Plastik" von Anneliese Bunk und Nadine Schubert bis zu 50 Mal neu befüllt, bevor sie eingeschmolzen werden.

AZ-Müll-Serie: Nach der Tonne - Das wird am Ende aus unserem Müll

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