„Er wird ewig in Knut weiterleben“
Fans des Berliner Bären trauern um seinen Pfleger Thomas Dörflein - und wollen das berühmte Tier sogar auf der Beerdigung sehen. Was Biologen und Bestatter sagen
„Nur die Guten sterben jung“, bedauert trolljenta67. „Er wird ewig in Knut weiterleben“, schreibt Kirsten. Und Hupsi, etwas weniger lyrisch, assistiert: „Ach du Scheiße“. Würde sich so ein seichter Kalauer nicht zu so einem traurigen Anlass verbieten, könnte man glatt behaupten, dass im offiziellen „Knut-Blog“ der Bär los sei. Tausende aus aller Welt fassen dort ihre Trauer über den Tod von Thomas Dörflein in Worte, dem Pfleger des Berliner Zoo-Tiers Knut.
Aus Taiwan meldet sich Jessi mit einem „Oh God! It’s unfair“ zu Wort. „Ich habe seit langer Zeit wieder gebetet“, sagt berlinbear. „Nicht fassbar“, bricht es aus Uschi heraus. Erika schluchzt: „Ich sehe den Monitor vor Tränen nicht.“ Und Tini formuliert: „Knut ist Thomas Dörflein, Thomas Dörflein ist Knut!“
Zugegeben: Das kann man, wie so vieles, natürlich ein bisschen oder sogar ziemlich übertrieben finden. Aber auch ganz anders interpretieren: Konnte man doch auf dem Höhepunkt des Knut-Hypes den Eindruck gewinnen, ein Eisbärenbaby-Leben sei weitaus höher einzustufen als das tausender Menschen, die zeitgleich irgendwo einem Hurrikan zum Opfer fallen. Rationale Einwände, damals von einer weltweit fanatisierten Fangemeinde als verabscheuungswürdig zurückgewiesen.
Wird Knut unter Dörfleins Tod leiden?
Jetzt trauern die Knutianer jedoch aufrichtig um ein Nicht-Tier, um ein Wesen mit Vor- und Nachnamen. Den Menschen Thomas Dörflein, der mit nur 44 an einem Herzinfarkt starb. Der eine Familie hinterlässt. Eine Frau, zwei Kinder.
Und Knut, natürlich. „Der Arme“, meint Sabrina. „Erst wird er von seiner Mama verstoßen, dann liebevoll von seinem Ziehpapa aufgezogen, und jetzt... jetzt hat er auch noch den Menschen verloren, der ihm in seinem Leben schon so viel gegeben hat.“ Bis zuletzt hatte Dörflein den ausgewachsenen Bären oft an seinem Gehege besucht.
„Tiere können sehr viel Trauerartiges empfinden“, erläutert Professor Udo Gansloßer, Verhaltensbiologe aus Fürth, der AZ. Es gebe Fälle, in denen zum Beispiel Hunde wochenlang neben ihrem toten Herrchen wachen, manchmal selber in Depressionen verfallen, das Fressen verweigern – und sterben.
Im Falle Knuts sieht er allerdings keine Probleme. „Die eigentliche Trennung von Herrn Dörflein erfolgte ja bereits vor einem Jahr“, so Gansloßer. Schlimmstenfalls werde der Bär die „Schlussfolgerung“ ziehen, dass sein Ziehvater „abgewandert“ sei. „Das wäre bei Eisbären nichts Ungewöhnliches." Er glaube jedenfalls nicht an „telepathische Fähigkeiten“ Knuts.
„Lasst nicht zu, dass der Bär verschachert wird“
Im Nürnberger Zoo wollte man trotzdem von vorneherein auf Nummer sicher gehen. „Flocke hatte vier gleichberechtigte Pfleger, damit sie sich nicht zu sehr an einen einzigen Menschen bindet“, sagt Nicola Mögel, die Pressesprecherin der Eisbärin. Über Dörfleins Tod zeigt sie sich sehr betroffen, er habe den Zoo in vielen „Detailfragen“ unterstützt – zum Beispiel wenn es um das richtige Mischungsverhältnis von Flockes Futter ging.
Die Knut-Fans sorgen sich jetzt auch um das Schicksal ihres Lieblings. „Lasst nicht zu, dass der Bär verschachert wird“, bittet Jessy. „Das sind wir Thomas Dörflein und seiner liebevollen Arbeit schuldig.“ Mehrere Benutzer regen sogar an, dass „Knuddel-Knut“ zur Beerdigung kommen solle – und verweisen auf Rudolph Moshammers Hündin Daisy.
Die AZ hat beim Bestattungsinstitut Denk nachgefragt: „Verboten“, sagt ein Mitarbeiter. „Eisbären, auch in schwarz, gehören definitiv nicht zu einer Trauergemeinde. Reißt er sich los, gäbe es zudem ein echtes Problem.“
Timo Lokoschat
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