Er heilte einen Mann von HIV

MÜNCHEN Immer mehr Menschen weltweit infizieren sich mit HIV oder sterben an Aids. Allein 2011 gab es 1,8 Millionen Todesopfer der erworbenen Immunschwäche; bisher gilt sie als unheilbar. „Keine Entwarnung für HIV, Aids und Hepatitis“ geben deshalb die Veranstalter mit ihrem Motto der 14. Münchner Aids- und Hepatitis-Tage, die seit gestern in Unterschleißheim stattfinden. Und haben doch den Mann eingeladen, der diesen den bisher einzigen Patienten von HIV heilen konnte.
2007 war dem Hämatologen Gero Hütter ein spektakulärer Erfolg gelungen: Er hatte den HIV-kranken Timothy Ray Brown in Berlin geheilt, der daraufhin als „Berliner Patient“ weltberühmt wurde. Auf seiner Webseite timothyrbrown.com berichtet Brown von seiner unglaublichen Geschichte: „Ich bin der Mann, der einmal HIV hatte“, lautet dort der erste Satz. Neben seiner HIV-Infizierung war er an Leukämie – Blutkrebs – erkrankt. Eine Chemotherapie wirkte nicht.
Durch eine Therapie mittels Stammzelltransplantation versuchte Hütter, beides zu bekämpfen. Dabei musste die von Krebs befallene Immunabwehr Browns komplett ausgeschaltet und durch gesunde Stammzellen eines Spenders ersetzt werden. Bereits nach wenigen Wochen war das Erbgut des HI-Erregers in Browns Blut nicht mehr nachweisbar.
Möglich wurde diese medizinische Sensation, weil Hütter einen Knochenmarkspender gefunden hatte, der durch eine Mutation des Gens CCR5 gegen das HI-Virus immun war: Es kann nicht an T-Lymphozyten andocken und sich dadurch nicht ausbreiten.
Browns bis heute währende Heilung sei jedoch glücklichen Umständen zu danken und deshalb „sehr schwierig zu wiederholen“. Eine Einschätzung, die auch Hans Jäger teilt, HIV-Experte und wissenschaftlicher Leiter der Münchner Aids-Tage: „Brown war leukämiekrank. Das Verfahren lässt sich nicht auf andere Patienten übertragen.“ Nur rund ein Prozent der Europäer verfügen außerdem über diese Genmutation.
„Das Prinzip jedoch“, sagt Hütter, „können wir nutzen“: Momentan versuche die Forschung in Studien, die Mutation gentechnisch herzustellen. Und die Ergebnisse machen Hoffnung, wenn auch „die Nebenwirkungen bisher nicht bekannt sind“.
In Deutschland ist die Zahl der Neuinfektionen inzwischen rückläufig, wenn sich auch laut Jäger noch rund 2700 Menschen jährlich mit dem HI-Virus anstecken. Dank „enormer Fortschritte in der Therapieforschung können sie aber heute so gut behandelt werden, dass sich ihre Lebenserwartung nicht von der eines gesunden Menschen unterscheidet“, erklärt er.
Sind Infizierte in Behandlung, sei zudem eine Übertragung der Krankheit unwahrscheinlich: Ihre Viruslast liege dann unter der Ansteckungsgrenze. Deshalb könnten Infizierte auch im Gesundheitsbereich problemlos arbeiten – selbst ein Chirurg stelle keine Gefahr dar.
Probleme sieht Jäger deshalb vielmehr im Sozialen: „Die Angst, diskriminiert zu werden, ist sehr groß“. Rund 1500 Forscher und Wissenschaftler, Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte und Juristen sind drei Tage nach München gekommen, um sich dem und weiteren Themen wie Neuansteckung und bestmögliche Therapien zu widmen.