Entspannt unter Eis: Extremsportler wagt riskanten Apnoe-Versuch

Noch einmal einatmen, so tief wie möglich, um die Lungen ausreichend mit Sauerstoff zu füllen. Dann taucht Peter Colat ab, ins etwa ein Grad kalte Nass. Über ihm befindet sich eine dicke Eisschicht. Am Samstag möchte er in dem zugefrorenen Vilsalpsee in Österreich eine Strecke von mindestens 107 Metern zurücklegen, eben mit jenem einen Atemzug.
Peter Colat, 51 Jahre alt, ist einer der bekanntesten Freitaucher der Schweiz. Der Extremsportler aus Uster, der hauptberuflich als selbstständiger Bau- und Projektleiter arbeitet, brach bereits diverse Weltrekorde im Streckentauchen unter Eis und im Luftanhalten.

Im Jahr 2011 verharrte er für 21 Minuten und 33 Sekunden unter Wasser - und schaffte es damit ins Guinness-Buch der Rekorde. Apnoe bedeutet "ohne Atmung", beim Tauchen ist Colat auf sich alleine gestellt. Er hat keinerlei Geräte bei sich, die ihn mit Luft versorgen könnten.
Rekordversuch in dem zugefrorenen Vilsalpsee in Österreich
Diesmal möchte der 51-jährige im zugefrorenen Vilsalpsee bei Tannheim in zwei Disziplinen noch einmal seine Konkurrenz übertreffen und sich den Eintrag im Buch der Rekorde sichern. "Eine außerordentliche Herausforderung", sagt er der AZ. Und gleichzeitig wäre dies für ihn sein persönliches Highlight, ein krönender Abschluss seiner Apnoe-Karriere: "Ich bin ja auch nicht mehr 20 Jahre alt", sagt er und lacht.
Vormittags, um 11 Uhr, wird er also zunächst mit Neoprenanzug und Flossen einen neuen Rekord versuchen. Nachmittags möchte Colat nur in Badehose dieselbe Strecke wagen - bei einer Wassertemperatur von etwa einem Grad Celsius.

Der offizielle Guinness-Rekord hierfür liege bei 80,99 Metern. Doch nicht jede Höchstleistung werde auch eingetragen, so Colat. Deshalb gebe es auch eine inoffizielle von 105 Metern. "Diesen Rekord will ich überbieten." Dafür müsste er etwa drei Minuten lang die Luft anhalten.
Eine Kleinigkeit für den Mann, der über 21 Minuten mit nur einem Atemzug unter Wasser verweilen kann? Nein, so einfach sei es nicht, meint er. "Bei dieser Temperatur, unter Eis - da treibt einen nur das Adrenalin voran."

Gleichzeitig sei es wichtig, entspannt zu bleiben. Denn jede zu schnelle Bewegung kostet Energie - und Luft. Auch auf den letzten 20 Metern Gas zu geben, wie etwa beim Sprintlauf, sei keine Option. "Dann geht der Puls rauf, der aber ruhig bleiben soll."
Das Tauchen unter der dicken Eisschicht erfordert Konzentration: Colat denkt während der Zeit an seine Familie, Spaziergänge am Meer, die Berge oder das Tauchen an sich. Hauptsache sei, sich positive Gedanken zu machen. "Es ist wie Meditation, man muss eine innere Ruhe finden", sagt er - und fügt witzelnd hinzu: "Finanzielle oder Beziehungsprobleme sollte man bei Seite schieben."
Apnoe-Tauchen - Sicherheit geht vor
Angst habe er dabei nicht, doch gehe Sicherheit immer vor, schließlich seien da sein Kind und seine Partnerin, die er immer im Hinterkopf habe. Um seine Sicherheit zu garantieren, wird zuvor ein Seil unter der Eisdecke angebracht, das Orientierung gibt. Ein Helfer-Team mit Ausrüstung begleitet ihn unter Wasser, auch Sanitäter sind am Wochenende vor Ort. In einem Abstand von jeweils etwa 25 bis 30 Metern werden zudem Sicherheitslöcher ins Eis geschnitten, sodass Colat auftauchen könnte, wenn ihm die Luft ausgeht. Dann muss er abwägen: Schafft er es noch zum nächsten Loch? "Auf Risiko tauche ich nicht weiter, ich muss mir wirklich sicher sein."
Seine Liebe zum Apnoe-Tauchen entdeckte der Leistungssportler 1998 bei einer Wette, im Griechenland-Urlaub mit Freunden. "Damals wollten wir wissen: Wer kann am längsten die Luft im Pool anhalten? Als ich nach drei Minuten wieder auftauchte war mir klar, dass ich mit dieser Begabung etwas anstellen muss", erzählt er. "Und weil ich an Blasmusikinstrumenten keinen Spaß habe, entschied ich mich fürs Tauchen." Viele Freitaucher zieht es dabei in die Tiefen des Ozeans. Doch am Meer mache er lieber Urlaub mit seiner Familie, sagt er. Das Tauchen unter Eis "macht und kann zudem auch nicht jeder". Und genau das reize ihn daran.
Um seinen Traum am Samstag zu verwirklichen, hat Colat viel trainiert. Seit Herbst steigt er ins Eiswasser von Seen und Flüssen, um seinen Körper langsam an die Temperatur zu gewöhnen. Er trainiert zudem täglich im Fitnessstudio auf Geräten und zu Wasser seine Ausdauer, denn gute Kondition und eine große Lunge seien wichtig für sein nächstes Abenteuer. Doch für den Weltrekordversuch hat er diese Woche mit dem Trainieren pausiert, erzählt Colat. Nur das Luftanhalten wird weiter geübt - bis zum Abtauchen am Samstag.