Einmal Prinzessin sein

Wie Letizia Mitglied einer königlichen Familie sein, ist der Traum vieler. In diesen unsicheren Zeiten ist die Sehnsucht, adelig zu sein, groß – und sehr oft vergeblich. Denn die Privilegien von einst, zählen heute kaum noch.
von  Abendzeitung
Wahrgewordener Traum? Letizia, Frau des spanischen Thronfolgers Felipe, bewegt sich in erlauchten Kreisen.
Wahrgewordener Traum? Letizia, Frau des spanischen Thronfolgers Felipe, bewegt sich in erlauchten Kreisen. © dpa

Wie Letizia Mitglied einer königlichen Familie sein, ist der Traum vieler. In diesen unsicheren Zeiten ist die Sehnsucht, adelig zu sein, groß – und sehr oft vergeblich. Denn die Privilegien von einst, zählen heute kaum noch.

Es gibt Tage, an denen kommt Christoph Franke kaum zum Arbeiten, weil sein Telefon ständig klingelt. Am anderen Ende der Leitung melden sich fast immer Männer mittleren Alters, die selbstbewusst erklären, sie seien Familienforscher, privat versteht sich, und beim Erstellen des eigenen Stammbaumes darauf gestoßen, dass die Uroma mütterlicherseits mal mit einem Grafen, naja, und dass sie jetzt doch adelig sein müssten. Ob Herr Franke das bitte schnell mal prüfen könne.

Natürlich kann Christoph Franke so eine Anfrage prüfen, schließlich ist der 56-Jährige seit zwölf Jahren Leiter des Deutschen Adelsarchivs, das seit nun 60 Jahren in Marburg sitzt, als solcher Fachmann für die Verästelungen der deutschsprachigen Blaublüter. Aber erstens dauert eine Recherche oft länger als die Auftraggeber sich das vorstellen – im Keller des Archivs lagern 20000 Bände voll mit Stammbäumen und Ahnenreihen – und zweitens muss Franke in 99 Prozent aller Fälle Hoffnungen zerstören. Wer das „von“ in seinem Namen von der Mutter übernommen hat, wer sich hat adoptieren lassen, der besitzt zwar einen adligen Namen – zum „historischen Adel“ gehört er jedoch nicht.

Die Zeit der Privilegien ist vorbei

„Für die meisten ist das sehr enttäuschend“, sagt Franke, „viele denken, als Adeliger stehe ihnen die Welt offen“. Wird ja oft so geschrieben. Bei der einstigen Fernsehjournalistin und jetzigen Prinzessin Letizia von Spanien zum Beispiel. Oder bei Prinzessin Máxima in den Niederlande, die vor ihrer Hochzeit mit Kronprinz Willem-Alexander für verschiedene Finanzunternehmen arbeitete.

Übersehen wird dabei oft, dass die Zeiten, da ein Adelstitel mit politischen Privilegien und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden war, lange vorbei sind. 1919, mit der Weimarer Verfassung, werden sie formell abgeschafft – gänzlich verschwunden sind sie nicht.

Auch wenn heute Beruf und Adelstitel nicht mehr direkt miteinander verknüpft sind, ist ein „von“ im Namen häufig genug „Türöffner“ hinein in die feinere Gesellschaft. „Nach wie vor spielt der Adel im diplomatischen Dienst, bei der Bundeswehr und im Bankwesen eine wichtige Rolle“, sagt Christoph Franke, und das dem so ist, liegt auch daran, dass in Deutschland wieder vermehrt die soziale Herkunft darüber entscheidet, welche Bildungschancen, Karriereaussichten, Lebenserwartung jemand hat.

Netzwerk von Gleichgesinnten

Und so könnte es sein, dass sich in der Hoffnung vieler, in ihren Adern möge blaues Blut fließen, die Sehnsucht nach einem Leben jenseits aller mittelständischer Unsicherheiten ausdrückt. Einem Leben, das nicht prekär, das geschützt ist. Zumindest in einem „Netzwerk helfender Gleichgesinnter“. Als solches bezeichnet Archivleiter Franke den historischen Adel, den die Forscher in Marburg in ihre „genealogischen Handbücher des Adels“ katalogisieren. Aufgenommen wird nur, wer von einem adligen Mann in „legitimer Ehe“ abstammt. Rund 4000 Familien „betreuen“ sie hier, zeichnen Familienverflechtungen, Berufe, Adressen auf. Jährlich erscheint ein „Adelsbuch“, alle zwei Jahre eines, das sich mit Freiherren befasst, alle drei das Exemplar für Grafen und fünfjährlich eines, das Fürsten auflistet – sehr standesbewusst also, eben so, wie der Adel ist, könnte man meinen. Und würde sich irren.

Denn es gibt ja nicht nur die, die einem Adelstitel besinnungslos hinterherjagen, um irgendwo irgendwie dazuzugehören. Es gibt auch diejenigen, die leichthändig auf ihn verzichten. Und sich gut dabei fühlen. Stephanie Kuffler zum Beispiel. Als Gräfin von Montgelas geboren, nahm sie mit der Heirat von Groß-Gastronom Stephan Kuffler den Namen ihres Mannes an. „Selbstverständlich“ sei das für sie gewesen. „Bei uns in der Familie war von Anfang an klar, dass Frauen mit der Hochzeit den Namen des Mannes annehmen.“ FDP-Politiker Herman Otto-Solms, gebürtiger Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich, verzichtet dagegen auf den Titel, um nicht Erwartungen ausgesetzt zu sein, die er nicht befriedigen könne. „In einer demokratischen Gesellschaft kommt es auf Leistung an, nicht auf Herkunft“, so Solms. Aber warum klingelt dann so oft das Telefon bei Christoph Franke?

Jan Chaberny

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