Eine Waffe gegen Aids

Regensburger Forscher testen erfolgreich einen Impfstoff gegen HIV. Doch es mangelt an Geld. Pharmafirmen wollen nicht investieren, weil Aids hauptsächlich Arme betrifft.
von  Abendzeitung
Schutz durch Spritzen: Ein neuer Impfstoff aus Regensburg könnte das tödliche HI-Virus überlisten und besiegen.
Schutz durch Spritzen: Ein neuer Impfstoff aus Regensburg könnte das tödliche HI-Virus überlisten und besiegen. © dpa

Regensburger Forscher testen erfolgreich einen Impfstoff gegen HIV. Doch es mangelt an Geld. Pharmafirmen wollen nicht investieren, weil Aids hauptsächlich Arme betrifft.

Es wäre der Durchbruch im Kampf gegen Aids. Natürlich hatte Hans Wolf gedacht, dass es etwas schneller gehen würde. Damals, kurz nach seinem großen Erfolg bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das lästige Epstein-Barr-Virus, das auch Krebs auslösen kann. Das war 1985 und noch kannte niemand die unglaublich hartnäckige Wandlungsfähigkeit des tödlichen HI-Virus. Seitdem sind 23 Jahre vergangen.

„Die Hoffnung darf man in unserem Job nie verlieren, sonst hält man das nicht über zwei Jahrzehnte durch“, sagt Wolf. Dabei haben der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Uni Regensburg und sein Kollege Ralf Wagner sehr viel „Geduld und Hartnäckigkeit“ erlernt. Vielleicht wird ihre Arbeit gerade deshalb belohnt: „Heute sind wir wirklich sehr optimistisch.“

Impfstoff aus Bayern

Denn erste langersehnte Bausteine eines Impfstoffes gegen Aids könnten aus Bayern kommen – bisher waren weltweit alle Versuche gescheitert. Seit Anfang des Jahres wird der neue Aids-Impfstoff in Regensburg an 20 gesunden Personen in einer ersten klinischen Testphase in Deutschland erprobt.

Vor einem Scheitern ihrer Arbeit haben die Regensburger keine Angst: „Wir befürchten keinen plötzlichen Rückschlag wie andere Forscher, weil wir konsequent ein neues, mehrfach geprüftes Prinzip für unsere HIV-Impfung anwenden“, sagt Wolf.

Dieses Erfolgsmodell ist eine intelligent aufeinander abgestimmte Kombinationsimpfung: Dabei wird zunächst der Bauplan (DNA) nicht vermehrungsfähiger Abschnitte eines HI-Virus-Genoms in den Muskel einer Testperson gespritzt. Erst danach erfolgt die zweite Impfung von einem mit einem HIV-Genom ergänzten abgeschwächten Pockenvirus. „Darauf reagiert das Immunsystem dann extrem stark, weil es bereits durch die erste Impfung darauf vorbereitet wurde“ (siehe auch unten).

Bereits die Test-Ergebnisse ihrer Studie an 40 gesunden Freiwilligen in Lausanne und London waren ein Meilenstein auf dem Weg zum langersehnten Impfstoff: „Kein Proband hat bisher negativ regiert. Bei rund 90 Prozent der Testpersonen konnten wir sogar eine deutliche Reaktion des körpereigenen Immunsystems feststellen, bei zehn Prozent zeigten sich zumindest schwache Effekte. Außerdem hat sich der Impfstoff als sicher und verträglich erwiesen“, so Wolf zur AZ. Der neue Impfstoff könnte also das Immunsystem gegen das tödliche Virus fit machen: Die Bildung von ausreichend Antikörpern soll eine Infektion der Geimpften im Vorfeld verhindern oder durch die Mobilisierung von körpereigenen „Helfer- und Killerzellen“ die Krankheit effektiv bekämpfen.

Doch bisher scheitert ein schnellerer Erfolg mal wieder am Geld: „Es mangelt seit Jahren an der Finanzierung der extrem komplizierten Forschung“, beklagt Wolf. Und das, obwohl sich das tödliche Virus besonders in Osteuropa, Afrika und Asien in den letzten Jahren explosiv ausbreitet – allein in China rechnen Experten bis zum Jahr 2010 mit über einer Million Infizierten.

Doch wer bisher gedacht hat, dass angesichts dieser dramatischen Entwicklung die Pharmaindustrie und öffentliche Geldgeber erfolgversprechende Forschungsansätze mit Nachdruck unterstützen, täuscht sich gewaltig. Bisher haben Pharmafirmen kaum Interesse an dieser Forschung. Vor allem deshalb, weil Aids heute zunehmend Arme betrifft: „Mit einer Impfung kann niemand reich werden“, sagt Wolf. „Denn längst haben sich alle Beteiligten an unseren Forschungsprojekten darauf geeinigt, dass eine zukünftige Impfung gegen Aids für die Verbraucher kostenlos oder extrem billig sein muss, damit es Sinn macht.“

Besonders die reichen Industriestaaten müssten sich also endlich ihrer Verantwortung für den Kampf gegen Aids stellen. „Ich bedaure, dass jetzt nicht viel schneller mit mehr Geld eine große Menge von Jugendlichen in Gebieten mit hohem Infektionsrisiko getestet wird“, kritisiert Wolf. Nur so ließe sich der Nachweis erbringen, dass der Impfstoff wirklich effektiv vor Aids schützt.

Michael Backmund

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