Eine Million Koma-Säufer
Der Drogenbericht der Bundesregierung hat einen erfreulichen und einen sehr unerfreulichen Aspekt: der Konsum von Nikotin, Alkohol und Haschisch bei Jugendlichen geht zurück. Nur die Zahl der Kampftrinker wächst
BERLIN Es ist immer noch erschreckend: In den vergangenen vier Wochen haben sich in Deutschland eine Million Jugendliche bis zum Umfallen betrunken – mit fünf Drinks oder mehr. 300000 tun dies sogar regelmäßig einmal in der Woche. Weil aber insgesamt der Konsum an Alkohol, Nikotin und Rauschgiften bei 12- bis 25-Jährigen zurückgegangen ist, zeigte sich die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing (SPD) am Freitag zufrieden über die jüngste Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Konsum von Genussmitteln.
Die Ergebnisse seien ein Erfolg der Bemühungen, den blauen Dunst, das Trinken von Alkohol und das Haschischrauchen durch „strukturelle und präventive Maßnahmen“ einzudämmen. Bätzing: „Dies zeigt sich vor allem beim Rauchen, wo durch die Erhöhung der Tabaksteuer, rauchfreien Schulen und das Rauchverbot in Gaststätten, der Tabakkonsum eingeschränkt wurde.“
Und so ist die Situation bei den einzelnen Genussmitteln:
Alkohol: Er ist bei den Heranwachsenden das am weitesten verbreitete Suchtmittel. Bei den 12- bis 17-Jährigen tranken 2008 mehr als 17 Prozent regelmäßig, 2004 waren es etwa 21 Prozent.
Obwohl der größte Teil dieser Jungen und Mädchen eigentlich gar keinen Alkohol trinken dürfte, konsumierten etwa 20 Prozent im vergangenen Monat mindestens bei einer Gelegenheit fünf oder mehr Gläser Alkohol. „Dieser Trend zum so genannten Binge Drinking ist weiterhin ungebrochen“, sagte die Drogenbeauftragte.
Auch die Regelmäßigkeit, mit der Jugendliche zu Bier oder Cocktails greifen, gibt den Experten zu denken. So trinken etwa acht Prozent der zwölf- bis 17-Jährigen jeden Tag mehr Alkohol, als selbst für Erwachsene als verträglich eingestuft wird.
Nikotin: Der Anteil der Raucher unter Minderjährigen ist auf den niedrigsten Stand seit 1979 gesunken, nämlich auf 15 Prozent. Für 2008 wurde das gesetzte Ziel, die Raucherquote bei den 12- bis 17-Jährigen von 20 auf weniger als 17 Prozent zu drücken, mit 15 Prozent mehr als erreicht.
Haschisch: Auch beim Cannabis-Konsum gibt es einen Rückgang. Gaben 2004 noch 31 Prozent der zwölf- bis 25-Jährigen an, schon einmal einen Joint probiert zu haben, so waren es 2008 noch 28 Prozent. Allerdings sagt auch von den zwölf- bis 17-Jährigen immerhin noch jeder zehnte, er habe Cannabis schon einmal probiert. Regelmäßig konsumieren 1,1 Prozent der Minderjährigen und 2,3 Prozent aus der Gruppe bis 25 die illegale Droge.
Und es gibt eine neue Mode-Droge: „Im Moment nimmt bei den Jugendlichen vor allem das Experimentieren mit alternativen Substanzen – Stichwort ,Spice’ – zu“, sagt Rainer Wege, Drogenberater bei „Condrobs“. Spice ist eine Mischung aus verschiedenen getrockneten Kräutern und Pflanzen, denen eine psychoaktive Wirkung nachgesagt wird. Eigentlich wird es als Räucherwerk verkauft, die meist jugendlichen Konsumenten rauchen es. „Das Problem ist, dass ,Spice’ legal und frei verkäuflich ist“, sagt Wege.
Außerdem werde vermutet, dass neben Kräutern chemische Substanzen mit hohem Suchtpotenzial beigefügt werden. „Die Gefahr liegt in der Mischung, da ist es für den Konsumenten schwer abzuschätzen, welche Wirkung ausgelöst wird.“ Eine enorme Zunahme registriert Wege auch beim Alkoholkonsum: „Das sind vor allem Mixgetränke mit Wodka.“ Nichts geändert hat sich dagegen bei Cannabis-Konsum: „Der ist seit Jahren in München auf einem hohen Niveau.“ Andere Drogen wie Ectasy seien „Randerscheinungen, die Jugendliche mal am Wochenende nehmen“. mh,cl