Ein Topmodel erzählt: „Ich weiß, was Einsamkeit ist“
MÜNCHEN - Die Münchnerin Margrieta Wever erzählt vom Kampf mit 200 Konkurrentinnen, fatalen Millimetern zu viel und einer Karriere,die bald zu Ende sein wird
Sie haben gezittert, gefroren und geheult – doch erst jetzt wird es für die Mädels von „Germany’s next Topmodel“ ernst: Am Donnerstag entscheidet sich, wer Topmodel wird, aufs Cover darf. Top-Favoritin: die 19-jährige Sara aus München.
Seit fünf Monaten leben Sara und ihre neun Nachwuchs-Kolleginnen den Traum vom Model. Von glamourösen Champagnerpartys, teuren Designerkleidern und millionenfacher Bewunderung. „Es ist ein aufregender Job, macht Spaß, ich habe gut verdient“, sagt auch Margrieta Wever, ein Model, das seit 14 Jahren in der Branche erfolgreich ist. „Und ich weiß jetzt auch, was Einsamkeit ist“, fügt die 31-Jährige hinzu.
"Ich hatte keine Ahnung von der Welt."
Der Traum von der großen Karriere, auch Margrieta hatte ihn, bevor sie mit 17 Jahren entdeckt wurde. „Natürlich hatte ich den heimlichen Wunsch, etwas so glamouröses wie Model zu werden. Aber ich war einfach zu schüchtern, mich zu bewerben“, sagt Margrieta. Auf der Straße wurde sie angesprochen. Ich hatte keine Ahnung von der Welt und dachte, es ist doch super, rumzureisen.“ Margrieta nahm an einem Wettbewerb teil, bekam ein erstes Fotoshooting. „So kam der Stein ins Rollen.“
Noch neben der Schule modelte sie regelmäßig, reiste nach ihrem Abschluss nach Paris, Mailand, sah die Städte im Schnelldurchlauf: Eine Endlosschleife aus Flughäfen, Taxis, Hotelzimmern. Aus Agenten, die die Gardemaße besser kennen als den Namen, die Augenringe dramatischer als Liebeskummer finden. „Manche Kunden vergessen, dass sie einen Menschen und kein Produkt vor sich haben“, sagt Margrieta heute und zuckt mit den Schultern. „Das gehört auch dazu.“
Genau wie die Party, der Champagner, der Glamour? Margrieta lacht. „Ein schöner Mythos.“ In ihren ersten Jahren sei sie noch auf Partys gegangen, habe gefeiert, „auch mal Koks angeboten bekommen, aber nie genommen“.
Der nach außen so glamouröse Job wurde rasch zu einem Kampf
Der nach außen so glamouröse Job wurde rasch zu einem Kampf um Aufträge: Margrieta, gerade mal 19 Jahre alt, hastete täglich zehn Stunden lang von Agentur zu Agentur, bewarb sich um einen Job für ein paar hundert Euro, „auf den 200 andere Mädchen genauso scharf sind wie du“. Sie zeigte ihr perfektes Lächeln, die schmale Taille, die damals noch langen Haare „nur um dann nach zwei Stunden Wartezeit und zig Begutachtungen zu hören: ,Wir wollen keine Blonde.’“
Würde Sie alles nochmal durchmachen? „Ja, aber wenn ich heute eine Tochter hätte, die mit 16 modeln will, würde ich sie begleiten. Ich hätte damals gerne jemanden zum Anlehnen gehabt.“
Nach ein paar Monaten kam der Durchbruch: Margrieta wurde gut gebucht, für Kosmetikkampagnen, Magazine, Dessous-Werbung. Bis zu 2000 Euro verdiente sie mit einem Shooting. Abends ging sie ins Hotelzimmer. Müde, allein. „Die Einsamkeit ist das Schlimmste“, sagt Margrieta, „es ist keiner zum Reden da. Und echte Freunde findet man in dem Business nur schwer“. Am nächsten Morgen stand sie wieder lächelnd am Set.
„Darling, du bist völlig außer Form.“
„Du musst immer professionell und perfekt sein“, sagt Margrieta. Perfekt auf den Millimeter. Genau das hätte Margrieta fast einen Job gekostet: Für ein Shooting sollte sie ein Kleid tragen – und kam mit ihrer Größe 36 auf 1,80 Meter nicht rein. „Darling, du bist völlig außer Form“, sagte der Stylist zu ihr. Margrieta maß nach: Statt ihrer üblichen 92 Zentimeter Hüftumfang hatte sie 93 – ein paar Millimeter an jedem Schenkel zu viel. „Die Ehrlichkeit in der Branche ist oft knallhart“, sagt sie.
Sie zwängte sich, es half nichts. „Am Ende haben wir das Kleid aufgeschnitten, damit ich reinschlupfen konnte. Von so was würde ich mich heute nicht mehr verrückt machen lassen. Aber damals...“
Der wenige Schlaf, die Einsamkeit und der Druck der Perfektion machten Margrieta fertig – irgendwann brach sie am Set in Tränen aus. „Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten und mich in den Flieger gesetzt, bin nach Hause geflogen.“
Es war der Tiefpunkt ihrer Karriere. Mit Anfang 20.
Es war der Tiefpunkt ihrer Karriere. Mit Anfang 20. „Der Beruf kann einen leicht zerstören, wenn man nicht wirklich zwei starke Beine hat, auf denen man steht“, sagt sie. Und doch: „Dass alle Models drogenabhängig sind, stimmt nicht. Kate Moss wäre vielleicht auch als Verkäuferin abgestürzt.“
Nach sieben Jahren im Model-Business war Margrieta ausgepowert, dachte ans Aufhören. „In München, war ich nur noch auf der Durchreise.“ Margrieta begann an der Akademie der Bildenden Künste zu studieren, heiratete, bekam zwei Söhne – und nahm über ihre Agentur Louisa Models wieder Aufträge an: Rodenstock, Max Mara, Escada, Bulgari, Elle, Otto-Katalog.
Nach dem ganz großen Ruhm strebt sie nicht mehr. „Wenn es gut läuft, habe ich noch acht Jahre, eher weniger“, sagt sie, während ihr zweiter Sohn Magnus (neun Monate) auf ihre Bluse sabbert. Um jungen Mädchen das echte Model-Geschäft abseits von aller Schwärmerei nahe zu bringen, schrieb sie das Buch „Traumberuf Topmodel“ Also doch ein Traumberuf? Margrieta zögert, das Lächeln verschwindet als sie antwortet: „Er hat den Mythos ein Traumberuf zu sein.“
Anne Kathrin Koophamel
Video: Chris Boettcher parodiert Germanys Next Topmodel
- Themen:
- Kate Moss