Ein Toast auf den Toaster

Vom der lebensgefährlichen Höllenmaschine zum technikbeladenen Kultobjekt: Liebeserklärung an ein Küchengerät, das heute 100 Jahre alt wird
Haitauchen, Höhlenklettern, Fallschirmspringen und Toasten: Fragt man heute, welche der vier Beschäftigungen nicht in diese Reihe passt, fällt die Antwort leicht. Vor 100 Jahren wäre sie schwer gewesen, gehörte das Toasten doch zu den aufregendsten und gefährlichsten Dingen der Welt.
1909 wird das erste kommerziell erfolgreiche Gerät, eine Höllenmaschine namens D-12, von General Electrics produziert – und beschert den Brandwundenabteilungen der Kliniken wachsende Budgets. Extremes Fingerspitzengefühl ist nötig, um das Stück Weißbrot aus einem glühenden Drahtkäfig zu befreien. Wer zögert, riskiert einen Wohnungsbrand. Erst 1919 kommt der Pop-up-Toaster auf den Markt, der die Scheiben nach ein paar Minuten herausschleudert – in den Anfangsjahren quer durch die Küche.
Integrierte Eierbrater und Milchkocher
Wohl auch wegen dieser existenziellen Erfahrungen am Frühstückstisch erreicht der Toaster in den USA schnell Kultstatus, in kaum ein anderes Küchengerät fließt so viel Erfindungsgeist ein wie in dieses. In den 20er und 30ern entstehen Einsteck-, Klemm-, Wende-, Dreh-, Karussel-, Flachbett-, Kipp- und Durchfahrttoaster. Seinen endgültigen Siegeszug erlebt das elektrische Brotrösten in den 70ern, als man sich an exotischen Genüsse wie dem Toast Hawaii zu erquicken beginnt.
Bis heute treiben Firmen wie Braun, Tefal und Philips ihre Ingenieure von Innovation zu Innovation, nutzen das Toastersegment als Spielwiese – entwerfen extrabreite Brotkammern, stufenlose Röstgradkontrollen oder bauen zusätzlich einen Eierbrater oder Milchkocher ein. Sollte der uralte Menschheitstraum von der eierlegenden Wollmilchsau jemals in Erfüllung gehen, dann wahrscheinlich in Form eines Toasters.
Auch optisch hat sich der einstige Drahtkäfig gemacht: Designbüros in Berlin, Tokio und London verschönern statt Stühlen und Autos heute lieber einen Toaster und räumen bei internationalen Awards ab: mit schlichtem Edelstahlschick oder einem Modell aus Glas, damit man dem Brot beim Bräunen zusehen kann.
„Die Schöne und der Toaster“
Längst hat der Toaster das geschafft, was Saftpressen und Zerhacker niemals erreichen werden: den Sprung in die Popkultur. Die „Flying Toaster“, die fliegenden Toaster, sind der berühmteste Bildschirmschoner aller Zeiten. Es gibt Modelle in Gestalt von Autos, Panzern und Schweinen; bayerische Patrioten, Audi-Anhänger und Fußballfans können morgens ihre Insignien auf den Toast brennen.
Sogar nach Hollywood hat’s den Röstapparat verschlagen. „Der tapfere kleine Toaster“ heißt ein Disney-Zeichentrickfilm, der 1987 in die Kinos kam und den Kampf fünf alter Haushaltsgeräte gegen die Moderne schildert. Wäre langsam Zeit für eine Fortsetzung, vielleicht als Musical „Die Schöne und der Toaster“. Auch denkbar: „Spiel mir das Lied vom Toast", „Vier Toaster für ein Halleluja" oder „Natural Born Toasters".
Dass der Toaster so unverwüstlich ist, sogar den derzeitigen Schwarzbrotboom übersteht, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass ihm trotz des technologischen und optischen Fortschritts immer noch etwas Archaisches innewohnt, etwas Unberechenbares in einer Welt der Drei-Minuten-Eier und symmetrisch abgetragenen Butterblöcke.
Gelegentlich steigen eben doch die kleinen Rauchschwaden auf und senden Signale in die Welt. Frei übersetzt: Wo getoastet wird, da lass’ dich nieder.
Timo Lokoschat