Ein Löwe für Millionen

Anfang der 1970er verzaubert der kleine „Christian” London. Vier Jahrzehnte später wird die Wildkatze zum YouTube-Star. Die Geschichte,. das Video
Natalie Kettinger |
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"Er liebte es, getragen zu werden." Christian mit Anthony Bourke (l.) und John Rendall.
F. Limes 2 "Er liebte es, getragen zu werden." Christian mit Anthony Bourke (l.) und John Rendall.
Vier Monate alt und 15 Kilo schwer: Der kleine Löwe untersucht den Fernseher.
F. Limes 2 Vier Monate alt und 15 Kilo schwer: Der kleine Löwe untersucht den Fernseher.

Anfang der 1970er verzaubert der kleine Löwe „Christian” London. Vier Jahrzehnte später wird die Wildkatze zum YouTube-Star

London - Ein gewaltiger Löwe läuft auf zwei langhaarige Männer zu. Er wird immer schneller, nimmt Anlauf, springt – und wirft sich dem ersten in die Arme. Die Männer lachen. Sie streicheln das Raubtier. Der Löwe legt ihnen sanft die Pranken auf die Schultern und reibt seinen Kopf an den ihren. Dann sinkt er auf den Boden zurück und schmiegt sich wie eine zu groß gewordene Hauskatze an die Beine der Männer.

1971 hat ein Dokumentarfilmer diese Szene in der kenianischen Wildnis gedreht. Vor kurzem ist sie bei YouTube aufgetaucht und wird seitdem geklickt wie verrückt: Millionen von Menschen haben sie bereits gesehen. Das Buch „Der Löwe Christian” erzählt die Geschichte hinter dem Clip: Ende der 1960er stranden die Australier Anthony Bourke und John Rendall in London. Sie besuchen den Tower und als kommerzielles Kontrastprogramm das Kaufhaus „Harrods”. In der Zooabteilung entdecken sie ein Löwenbaby (der Handel mit exotischen Tieren wurde erst später verboten) und sind hingerissen: „Ein Löwenwelpe mit einem Preisschild – daran geht keiner so schnell vorbei.” 250 Guineas soll das Tier kosten, umgerechnet 4000 Euro. Für Bourke und Rendall wird das Leben mit Löwe zur fixen Idee. Schließlich kratzen sie ihr letztes Geld zusammen und kaufen „Christian”.

Doch selbst im London der „Swinging Sixties” ist es nicht leicht, einen Wohnungsbesitzer zu finden, der an zwei Weltenbummler plus Löwe vermietet. „In unserer Verzweiflung sahen wir unsere letzte Chance darin, die Inhaber des Ladens (in dem Bourke und Rendall arbeiteten, d. Red.) davon zu überzeugen, dass ihr Geschäft außer uns als ihren Angestellten in ihren Geschäftsräumen unbedingt einen Löwenwelpen brauchte”, erzählen sie im Buch. Die Antiquitätenhändler sind nachsichtig – und der vier Monate alte Christian zieht ins Westend.

Er posiert im Schaufenster und auf der Treppe, jagt den Wischmopp der Putzfrau und erschreckt die Kunden. Kinder, Fotografen und Schauspieler kommen, um den Löwen zu sehen – nur 007 George Lazenby bleibt lieber draußen. Dabei ist Christian ein äußerst freundlicher Löwe. „Er liebte es, herumgetragen und geknuddelt zu werden. Dann legten sich seine Pfoten sanft um unseren Nacken, und seine Zunge leckte über unser Gesicht.” Das 15-Kilo-Raubtier geht sogar auf’s Katzenklo.

Nach ein paar Monaten, die Mähne beginnt bereits zu wachsen, ist Christian trotzdem zu groß für ein Leben im Antiquitäten-Geschäft. Weil Bourke und Rendall ihn nicht an einen Zoo oder Zirkus verkaufen wollen, suchen sie nach einer Möglichkeit, ihn auszuwildern – und werden in Kenia fündig: Der Naturforscher George Adamson will dort ein Löwen-Rudel aufbauen und Christian aufnehmen. Er reist im Flugzeug nach Afrika, begleitet von seinen australischen Freunden. Die Auswilderung gelingt.

Ein Jahr später kehren die Männer nach Kenia zurück, um Christian zu besuchen. Er erkennt sie sofort, das Wiedersehen wird zur Schmusestunde – die nun auf YouTube für Furore sorgt. Bourke und Rendall haben ihr Buch „Der Löwe Christian” deshalb überarbeitet und neu herausgebracht (Limes Verlag, 16,99 ).

Und Christian? Der Londoner Löwe verschwand Anfang 1973 im kenianischen Busch und wurde nie wieder gesehen.

 

 

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