Ein ganz besonderer Grill-Teller: Wo künftig Grillen in Lebensmitteln erlaubt sind

Ab sofort darf in Europa auch die Hausgrille in Lebensmitteln verarbeitet werden. Wo die Insekten im Essen herkommen und wie viel Nährstoffe drin stecken.
Sebastian Fischer, Melissa Seeger |
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Gefrorene Grillen auf einem Teller – ab Dienstag ist es in der EU erlaubt, ihr Mehl in Lebensmitteln zu verarbeiten.
imago 4 Gefrorene Grillen auf einem Teller – ab Dienstag ist es in der EU erlaubt, ihr Mehl in Lebensmitteln zu verarbeiten.
Eva-Maria Nossek: "Es ist alles eine Frage der Gewohnheit und der Art der Zubereitung."
4 Eva-Maria Nossek: "Es ist alles eine Frage der Gewohnheit und der Art der Zubereitung."
Alexa Piroth: "Ich find's gut. Östliche Kulturen haben schon gezeigt, wie vielfältig es geht."
4 Alexa Piroth: "Ich find's gut. Östliche Kulturen haben schon gezeigt, wie vielfältig es geht."
Martin Obermayr: "Es kann eine Möglichkeit sein, um die Menschen zu ernähren, und auch eine Ergänzung zum Fleisch sein."
4 Martin Obermayr: "Es kann eine Möglichkeit sein, um die Menschen zu ernähren, und auch eine Ergänzung zum Fleisch sein."

München - Insekten werden schon seit Jahrtausenden von Menschen weltweit gegessen. In der EU sind sie noch nicht sehr verbreitet. Nach Mehlwürmern und Wanderheuschrecken dürfen seit Dienstag auch Hausgrillen und Larven des Getreideschimmelkäfers in Lebensmitteln verarbeitet werden. Die Details:

Insekten im Essen: "Wirklich ein ganz, ganz kleiner Nischenmarkt"

Was genau ist nun erlaubt? Jedes neuartige Lebensmittel muss von der EU zugelassen werden. Per Durchführungsverordnung darf allein das vietnamesische Unternehmen Cricket One ab Dienstag ein teilweise entfettetes Pulver aus der Hausgrille (Acheta domesticus) in der EU vertreiben. Von Donnerstag an dürfen dann auch Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus) verarbeitet werden.

In welchen Lebensmitteln kann etwa die Hausgrille vorkommen? In allen möglichen. Ihr Pulver darf nun unter anderem in Brot und Brötchen, Keksen und Crackern, Backmischungen und Teigwaren, Soßen und Suppen, Fleisch- und Milchersatz, Kartoffelerzeugnissen oder Schokolade vorkommen. Die Produkte dürfen dann nicht als vegan oder vegetarisch ausgezeichnet werden.

Wird das bald breit zu finden sein? Das wird sich zeigen. Bisher sei das Angebot an Lebensmitteln mit Insekten "wirklich ein ganz, ganz kleiner Nischenmarkt", sagt Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Hierzulande sind aktuell nur wenige Produkte mit geringen Mengen an Insekten erhältlich.

Insekten müssen auf den Produkten klar gekennzeichnet sein

Kann es passieren, dass man Insekten isst, ohne es zu wissen? Nein, denn Insekten müssen auf den Produkten gekennzeichnet sein. Die EU-Kommission stellt klar: Der Verordnung zufolge muss etwa in der Zutatenliste stehen: "Acheta domesticus (Hausgrille, Heimchen), gefroren" oder "Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus
(Getreideschimmelkäfer)".

Valet fordert eine deutliche Kennzeichnung auf der Verpackung, "und zwar gut verständlich für alle, zum Beispiel ‚Kekse mit Insekten' oder ‚Nudeln mit Insekten'."

Was ist für Allergiker zu beachten? Wie bei vielen anderen Lebensmitteln könnte auch Insektenpulver in seltenen Fällen Reaktionen auslösen – etwa bei den Menschen, die gegen Krebstiere, Weichtiere und Hausstaubmilben allergisch sind. Entsprechende Angaben müssen in Nähe der Zutatenliste stehen.

Wie nahrhaft sind Insekten? Weltweit werden mehr als 1900 Arten verzehrt. In verschiedenen Studien hat die Welternährungsorganisation (FAO) festgestellt, dass sie eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. Dem Verbraucherzentrale Bundesverband zufolge ist ihr Proteingehalt ähnlich hoch wie bei Fleisch von Rind, Schwein oder Pute – je nach Art des Insekts.

So nachhaltig sind Insekten in Lebensmitteln

Ist das nachhaltig? Der Umweltorganisation WWF zufolge ist die Ökobilanz deutlich besser als die von Rind, Schwein und Huhn. "Im Vergleich zu Fleisch wird bei der Erzeugung von Insekten wesentlich weniger landwirtschaftliche Fläche benötigt", heißt es vom WWF. Im Vergleich zum Huhn seien es etwa um 50 Prozent weniger.

Nach FAO-Angaben benötigen Grillen nur etwa ein Zwölftel des Futters verglichen mit Rindern, um die gleiche Menge an Eiweiß zu produzieren. Bei der Insektenzucht werden auch weniger Treibhausgase freigesetzt.

Die deutschen Verbraucherzentralen rechnen zudem vor, dass der essbare Anteil an Insekten mit 80 Prozent deutlich höher liegt als zum Beispiel beim Rind (40 Prozent).

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Kommen Insekten aus der Natur auf den Teller? Nein, kein Grund zur Sorge. Speiseinsekten, die im deutschen Lebensmittelhandel angeboten werden, stammen nach Angaben der Verbraucherzentralen ausschließlich aus kontrollierter Aufzucht.


AZ-Umfrage: Insekten im Essen – eklig oder in Ordnung?

Eva-Maria Nossek (68), Selbstständige: "Es ist alles eine Frage der Gewohnheit und der Art der Zubereitung. Und wenn in Frankreich Froschschenkel und in Asien Heuschrecken gegessen werden, warum nicht auch andere Insekten. Und wenn es den CO2-Ausstoß mindert: Warum nicht?"

Martin Obermayr (54), Kare Store Manager: "Am Königsplatz an einem Stand wurden schon mal Insekten mit Geschmäckern angeboten. Man hat mehr von dem Flavour geschmeckt. Es kann eine Möglichkeit sein, um die Menschen zu ernähren, und auch eine Ergänzung zum Fleisch sein."

Alexa Piroth (24), Studentin: "Ich find's gut. Östliche Kulturen haben schon gezeigt, wie vielfältig es geht. Es ist umweltfreundlicher und auch Einkommensschwächere können sich das leisten. Es ist eine zukunftsfokussierte Proteinalternative. Freut mich, dass die EU grünes Licht gegeben hat."

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  • Karl-Eva am 26.01.2023 02:10 Uhr / Bewertung:

    Das Hauptproblem an der Sache mit den Insekten im Essen ist nicht, dass Leute, die sowas mögen, das auch kriegen, sondern dass allen Verbrauchern, auch denen, die das nicht mögen, zunehmend Produkte mit Insekten(-bestandteilen) untergejubelt werden, wenn dadurch bei der Produktion ein paar Cent eingespart und somit die Renditen gesteigert werden können. Danke, EU!

  • Karl-Eva am 26.01.2023 01:57 Uhr / Bewertung:

    "Das Karmin „besteht aus ausgekochten und zerquetschten Scharlachschildläusen, aus denen ein roter Farbstoff gewonnen wird, der oft in der Lebensmittel-, aber auch in der Kosmetikindustrie eingesetzt wird“, schreibt „t-online“." (echo24.de)

    "Natürlich müssen solche Produkte gekennzeichnet werden. Insekten in anderer Form gibt es schon länger auf dem Markt." (swr.de)

    Ja, stimmt, die gibt es schon länger auf dem Markt. Das mit der Kennzeichnung muss aber noch geübt werden. So habe ich noch eine leere Tüte "Trollis saure Glühwürmchen" (der Name ist wohl Programm), vor einem Jahr gekauft, aus dem Müll gefischt, und siehe da, oben zitierter Scharlachschildlaus-Sud wird unter den Zutaten als "Farbstoff: Echtes Karmin" benannt.

    Abgesehen davon, dass man die Zutatenliste nicht ohne Lupe lesen kann, beinhaltet die Rückseite doch multilingualen Text für zwei eng beschriebene Buchseiten, so sagt dem Normalbürger die Bezeichnung nicht das, was sie sollte, nämlich: ACHTUNG: INSEKTEN ENTHALTEN!

  • Karl-Eva am 25.01.2023 20:28 Uhr / Bewertung:

    Es wundert mich schon, dass ausgerechnet zu diesem Thema ÜBERHAUPT nicht diskutiert wird.
    Bin ich denn die einzige Person, die diesen Artikel im Web lesen kann???

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