Ein druckreifer Knüller

Wie sich der frühere Starreporter Michi Graeter selbst in die Hölle brachte
von  Abendzeitung
Diesmal selbst die Hauptperson einer „ganz heißen G'schicht": Michael Graeter
Diesmal selbst die Hauptperson einer „ganz heißen G'schicht": Michael Graeter © az

Wie sich der frühere Starreporter Michi Graeter selbst in die Hölle brachte

Von Fritz Janda

Starreporter im Morgengrauen aus dem Bett seines Schweizer Nobelhotels heraus verhaftet. Peinlicher Abgang über die Hintertreppe, begleitet von drei Beamten der Züricher Kantonspolizei . . . Mein Gott, was für eine Story. Was hätte ein Michael Graeter daraus gemacht? „Ein Knüller!“, so wäre er in die Redaktion gestürmt, „Schlagzeile!“ Nur, dass zum einen der Michi Graeter jetzt gerade keine Redaktion mehr hat. Und zum andern, dass halt leider ausgerechnet er selbst die Hauptperson dieser „ganz heißen G’schicht“ ist.

Über die Abendzeitung zum "Klatsch-König" aufgestiegen

Michael Graeter: Einst über seine tägliche Kolumne in der Abendzeitung aufgestiegen zum unbestrittenen „Klatsch- König“ dieser Republik, „Richter“ über die Reichen und die Schönen, über all die Mitspieler und Mitgespielinnen in den diversen Liebes- und Luderligen der Promis und Möchtegern-Adabeis, weil nur nur das (möglichst häufige) Erscheinen ihres Namens in der Graeter-Spalte die hochbrisante Frage beantworteten konnte, wer „wer“ ist in München. Und der Michi war da natürlich selbst „wer“, war, ob er wollte oder nicht, Mitglied dieser ganz speziellen Münchner „Bussi-Gesellschaft“.

Das (vorerst) letzte Kapitel dieser Story...

...war ein europäischer Haftbefehl der Münchner Staatsanwaltschaft (AZ berichtete). Die Vorwürfe: Steuerhinterziehung, Verstoß gegen Bewährungsauflagen. Denn schon im März 2003 war Graeter vom Amtsgericht München wegen Insolvenzverschleppung, zweifachen Bankrotts und Veruntreuung von Arbeitsentgelt zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Derzeit verbringt er eine ungewiss lange Zeit in eher ungewohnter Umgebung. Die standesgemäße Suite 33 im Drei- Sterne-Hotel „Tivoli“ (Monatsmiete 2000 Euro) musste er mit einer Zelle im Züricher „Ausschaffungsgefängnis“ nahe dem Flughafen der Stadt tauschen, wo er auf seine Abschiebung wartet. „Und das“, so Franco Galli, Sprecher des Berner Bundesamtes für Justiz gestern „kann lange dauern.“ Nach Gallis Angaben hatte Graeter nach seiner Verhaftung einem vereinfachten Auslieferungsentscheid nicht zugestimmt. Deswegen werde sich seine Überstellung nach Deutschland verzögern. Bis zur gerichtlichen Klärung dieser Frage könnten Monate vergehen. Und selbst dann stünden Graeter wohl auch noch Rechtsmittel zu, die das Verfahren weiter in die Länge ziehen könnten, so ein Sprecher.
Aber auch nach seiner Auslieferung muss Graeter in München laut Staatsanwaltschaft erst einmal wieder ins Gefängnis.

Seine besten Jahre hatte er...

...zweifellos bei der Abendzeitung, wo er 1970 als Nachfolger von Johannes Obermaier alias „Hunter“ zum Chronisten der Schickimicki-Gesellschaft aufstieg. Ob Prinz Ernst August von Hannover eine (streng geheime) Romanze mit Prinzessin Caroline von Monaco begonnen hatte, ob Evergreen-Playboy Gunter Sachs gerade mit Brigitte Bardot anbandelte, ob Skandal-Schauspieler Helmut Berger im P1 wieder mal gegen die Bar gepinkelt hatte, Graeter wusste es exklusiv und veröffentlichte es als erster.
Wie radargesteuerte Nachtjäger durchstreiften der „hunnenhaarige Dekolletedetektiv“ (so Sigi Sommer über seinen damaligen Kollegen Graeter) und sein Fotograf Franz Hug ihr Revier, das sich bald vom Kellerlokal in einer Münchner Vorstadt bis zum Palace-Hotel in St. Moritz und zu den Promi-Villen in Hollywood erstreckte. Graeter selbst wurde zur Kultfigur als „Baby Schimmerlos“ in der von seinen Storys inspirierten TV-Serie „Kir Royal“ von Helmut Dietl mit Franz Xaver Kroetz in der Hauptrolle.
Dietl selbst war gestern völlig überrascht von der Nachricht von Graeters Verhaftung. „Ich hatte seit unserer Serie, für die er das Vorbild war zwar keinen Kontakt mehr mit ihm“, sagte er der AZ, „aber dass es nun so um ihn steht, ach du lieber Gott, das macht mich sehr traurig. Doch das Leben ist halt oft anders als die Fiktion.“

Nach 16 Jahren bei der AZ...

...wechselte Graeter für sechs Jahre zu „Bild“, dann für weitere neun Jahre zur „Bunten“. Geld und Ruhm lockten. 500000 Mark im Jahr soll er zu seinen besten Zeiten kassiert haben. Doch dann kam dem Glücksritter das Glück abhanden.
Im Streit trennte er sich von der „Bunten“, die seine manchmal freilich recht frechen Texte nicht mehr unredigiert ins Blatt heben wollte, den Streit um eine Millionen- Abfindung verlor er. Auch als Geschäftsmann hatte er kein goldenes Händchen. Seine drei Münchner Kinos floppten. Seine Versuche, sich in München und Berlin als Kneipier zu etablieren, scheiterten grandios. Sein „Café Extrablatt“ an der Leopoldstraße – längst verkauft. Das Berliner Pendant am Kurfürstendamm, das Extrablatt 2“, kam bei den Hauptstädtern nicht an.

„Vielleicht war ich zu früh dran, oder zu blöd"...

...gestand er. „Ich hatte in Berlin lauter ,Ossis’ als Bedienungen. Die konnten gar nicht mit meiner Kundenklientel von Juwelieren und Pelzhändlern – und umgekehrt. Zudem konnte ich nicht in zwei Städten gleichzeitig sein. War ich in München, ging’s in Berlin drunter und drüber, und wenn ich in Berlin war, lief der Münchner Laden nicht.“ Sein Fazit: „3,5 Millionen Mark ,Berlinhilfe’ in den märkischen Sand gesetzt.“
Einige Jahre lang veröffentlichte er seinen Klatsch dann noch in der eher weniger prestigeträchtigen „Neuen Revue“. Und auch, dass er mit einer eigenen Klatsch-Webseite im Internet (www. michaelgraeter. de) das ganz große Geld machen könnte, blieb, wie so viele New Economy-Pläne, ein Wunschtraum. Auch ein neuer Anfang in der Schweiz, wo er 2007 als Berater und Talkmaster des Privatsenders „Star TV“ einstieg, blieb zeitlich begrenzt.

Graeters Welt...

...in der Stars wie Steve McQueen, Roman Polanski, Liz Taylor, Jerry Lewis oder Fay Dunaway zu seinen Freunden zählten, in der er mit Jack Nicholson drei Tage lang die Münchner Nächte unsicher machte, waren halt doch eher die siebziger und achtziger Jahre. Von den B- und C-Promis von heute, die über PR-Agenturen zu Partys und Events vermittelt werden, hält er ohnehin nichts. „Wir haben die Hochsaison der Namenlosen“, sagt er. Da kommen nur noch Plastik- People, wahrscheinlich, weil die am leichtesten hergehen. Heute rennen die Fotografen einer Luftpumpe wie Jenny Elvers hinterher, als ob es Brigitte Bardot wäre. Leute wie eine Naddel oder ein Küblböck, Leute also, die man eigentlich nur nennen muss, weil sie so oft erwähnt werden – zu meiner Zeit waren das Fußnoten, heute sind das Schlagzeilen.“

Keine Vorzeige-Menschen mehr. „Die gute Münchner Gesellschaft“, hat er schon vor Jahren gesagt, „die feiert heute lieber unter sich.“ Ein Vorbild ist ihm da schon eher Papst Benedikt, der ihm schon 1980, damals noch Münchens Kardinal Ratzinger, als Widmung in sein München- Compendium „Wer ist was in München“ eine „gute Zeit und gute Nachbarschaft unter uns Münchnern“ gewünscht hatte.
Und vielleicht denkt er jetzt auch an das Vorwort des damaligen Polizeipräsidenten Manfred Schreiber: „Ich wünsche, dass viele, die wer sind, auch wer bleiben, was bekanntlich schwieriger ist, als wer sein.“

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