EHEC-Ermittler verfolgen mehrere Spuren

Die Suche nach der Infektionsquelle für den gefährlichen Darmkeim EHEC konzentriert sich nun auf Lübeck und Hamburg.
von  dpa

Hamburg/Berlin - 17 Patienten hätten sich möglicherweise in einem Restaurant in Lübeck infiziert, wie die "Lübecker Nachrichten" (Samstag) unter Berufung auf das Kieler Verbraucherschutzministerium berichteten.

Nach einem Bericht des Magazins "Focus" wird im zuständigen Robert Koch-Institut die These favorisiert, die Infektionen hätten ihren Ursprung beim Hamburger Hafengeburtstag Anfang Mai. Gut eine Woche nach dem Fest mit etwa 1,5 Millionen Menschen seien die ersten Patienten mit Durchfall ins Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf gekommen. Das RKI war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu dem "Focus"-Bericht zu erreichen.

Eine Institutssprecherin hatte am Freitag Angaben der "Lübecker Nachrichten" bestätigt, wonach RKI-Mitarbeiter zu Untersuchungen in der Hansestadt waren.

"Das Restaurant trifft keine Schuld, allerdings kann die Lieferantenkette möglicherweise den entscheidenden Hinweis geben, wie der Erreger in Umlauf gekommen ist", zitierte das Blatt Werner Solbach, Mikrobiologe am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. "Bemerkenswert ist, dass es sich bei den Erkrankten um Teilnehmer unterschiedlicher Gruppen handelt."

Acht Teilnehmer einer dänischen Besuchergruppe hätten sich dort infiziert. Auch 30 Frauen einer Gewerkschaft hatten das Lokal besucht. "Bislang wissen wir von acht, teilweise sehr schweren Fällen. Eine Teilnehmerin aus Nordrhein-Westfalen ist verstorben", sagte Dieter Ondracek, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft den "Lübecker Nachrichten".

Unter führenden Wissenschaftlern ist inzwischen Streit über das Krisenmanagement ausgebrochen. Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité kritisierte die Arbeit des RKI. Das Universitätsklinikum habe erst in dieser Woche Fragebögen für die Patienten bekommen, sagte Ulrich Frei dem "Tagesspiegel" (Samstag). "Das reicht nicht. Man hätte die Patienten interviewen sollen."

Es sei zudem nicht erkennbar, was das RKI erarbeite. "Wir brauchen eine bessere Informationspolitik", forderte Frei. Dass sich der EHEC-Erreger seit Anfang Mai ausbreite, außer Gurken aus Spanien aber keine mögliche Quelle ermittelt worden sei, mache ihn unruhig.

Laut "Tagesspiegel" wies eine RKI-Sprecherin die Vorwürfe zurück. Das Institut habe nach Ausbruch des Darmkeims zügig reagiert.

Donato Greco von der Weltgesundheitsorganisation (WHO/Genf) vertrat in der römischen Zeitung "La Repubblica" (Samstag) die These, die Infektionen könnten eher im Fleisch als im Gemüse ihren Ursprung haben. "Der Erreger ist üblicherweise im Darm von Rindern zu finden und damit auch in rohem Fleisch wie Tartar oder schlecht gekochten Hamburgern." Er habe noch nie derart gefährliche Darmkeime auf Obst und Gemüse festgestellt.

RKI-Sprecherin hatte dazu schon erklärt, eine Befragung der Patienten habe ergeben, dass die "klassischen Verdächtigen" wie Rohmilch und rohes Fleisch in diesem Fall eben nicht die EHEC-Träger waren.

Bundesweit hatte die Zahl der EHEC-Infektionen bis zum Wochenende weiter zugenommen. In einigen Ländern stieg sie jedoch langsamer als zuvor. Bei mehr als 2000 Menschen wurde der Erreger bislang nachgewiesen. Mindestens 520 Patienten leiden an dem lebensgefährlichen HU-Syndrom (HUS). Daran sind in Deutschland 18 Menschen gestorben.

Bei der Einfuhr in die USA werden aus Sicherheitsgründen Tomaten, Gurken und Salat aus Deutschland und Spanien streng kontrolliert. Es handele sich jedoch nur um eine verhältnismäßig winzige Menge, da das meiste importierte Gemüse aus Mexiko und Lateinamerika stamme, sagte der zuständige Direktor bei der Seuchenkontrollbehörde CDC, Chris Braden, am Freitag in Atlanta (Georgia).

Russland hatte einen völligen Importstopp für Gemüse aus der EU verhängt.

Nach Erkenntnissen der WHO gibt es EHEC-Infektionen bisher außer in Deutschland in Österreich, Tschechien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, Schweiz, Großbritannien und den USA. Von den meisten Patienten ist bekannt, dass sie zuvor in Deutschland waren.

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