„Du wirst aussehen wie Norbert Blüm!“

Der Berliner Autor Michael Wuliger rät seinem Kollegen Henryk M. Broder dringend davon ab, als Präsident des Zentralrats der Juden zu kandidieren. Ein Offener Brief
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Weniger Zeit für die häusliche Idylle mit Hund hätte Henryk M. Broder als Zentralratspräsident.
Michael Grill Weniger Zeit für die häusliche Idylle mit Hund hätte Henryk M. Broder als Zentralratspräsident.

Der Berliner Autor Michael Wuliger rät seinem Kollegen Henryk M. Broder dringend davon ab, als Präsident des Zentralrats der Juden zu kandidieren. Ein Offener Brief

Die Vertretung der Juden in Deutschland sei in einem erbärmlichen Zustand, Charlotte Knobloch „(intern Tante Charly genannt“) scheine völlig überfordert. Stellungnahmen würden kaum noch wahrgenommen, weil sie sich inflationär zu allem und jedem äußere. Seine Ankündigung, als Präsident des Zentralrats der Juden zu kandidieren, verband Publizist Henryk M. Broder vergangene Woche gleich einmal mit ein paar Attacken.

Exklusiv für die AZ schreibt der jüdische Journalisten und Autor Michael Wuliger („Der koschere Knigge“) in einem Offenen Brief, warum Broder seine Kippa aber doch lieber aus dem Ring nehmen solle.

Lieber Henryk,

Hast Du Dir das wirklich gut überlegt? Der Job ist alles andere als ein Vergnügen – allein schon wegen der vielen Termine. Ob Holocaust-Gedenkstunde in Oer-Erkenschwick, jüdische Kulturwoche in Kyritz an der Knatter, Israeltag in Villingen-Schwenningen: Überall wird von Dir ein feierliches Grußwort erwartet, in dem Dir liebe Begriffe wie „Schlampe“, oder „Pack“ nicht vorkommen dürfen.

Hinterher musst Du noch Reden von Lokalpolitikern und jüdischen Gemeindehonoratioren über Dich ergehen lassen. Stundenlang, ohne sarkastische Zwischenbemerkungen zu machen. Nicht mal gelangweilt gucken oder in der Nase bohren darfst Du, weil Dich in der ersten Reihe, wo Du sitzt, jeder sieht. Deine geliebten roten Schuhe sind ebenfalls tabu. Seriöse Kleidung ist für Zentralratspräsidenten Pflicht – dunkler Anzug und Krawatte. Das ist nicht nur unbequem, es wird Dir auch nicht stehen. Du hast dafür nicht die Figur. Du wirst aussehen wie Norbert Blüm.

Noch anstrengender als die Außenwirkung wird’s intern. Allein die Sitzungen der unzähligen jüdischen Gremien, bei denen Du Dir Deinen Hintern platt sitzen müsstest. Und in welcher Gesellschaft!

Gemeindefunktionäre, Rabbiner und die Sterbestatistik

Jüdische Gemeindefunktionäre hast Du nie leiden können. Jetzt werden die bei Dir tagtäglich auf der Matte stehen, weil sie was von Dir wollen. Genau gesagt, wollen Sie Geld: Geld für eine Jugendfreizeit in Davos im Winter, Geld für ein gemeindeeigenes Streichorchester, Geld für ein jiddisches Filmfestival. Geld, das Du nicht hast. Weswegen Du für diese Leute ganz schnell der Schmock sein wirst. Aber der bist Du als Zentralratschef qua Amt sowieso. Wir Juden sind bekanntermaßen ein antiautoritärer Haufen, für den Führungskräfte vor allem dazu da sind, dass man ihnen ständig rumkrittelt und seinen Frust ablässt.

Habe ich schon die Rabbiner erwähnt? Die werden von Dir als Zentralratspräsident verlangen, dass du ein Leben führt, das den religiösen Regeln wenigstens nicht total zuwiderläuft. Ein monogames Sexualverhalten zum Beispiel. Kulinarisch wird’s auch fad: Scampi und Parmaschinken sind nicht mehr drin.

Und glaub’ ja nicht, dass Du mit den Nichtjuden besser fahren wirst. Vor allem nicht mit deinen journalistischen Kollegen. Weil alle Journalisten eigentlich lieber etwas anderes machen würden, als Zeitungen vollzuschreiben oder Sendeplätze zu füllen, hassen sie jeden aus der Zunft, der den Absprung in einen anständigen Beruf schafft. Du hättest eine schlechte Presse.

Last, not least, solltest Du einen Blick auf die Sterbestatistik von Zentralratschefs werfen. Die letzten vier Männer in dieser Funktion haben den Job nicht überlebt, sind im Amt gestorben. Und Du bist auch nicht mehr der Jüngste.

Lieber Henryk, lass es lieber sein. Es gibt Wichtigeres als den Zentralrat. Und Bekömmlicheres. Das Schweinefilet in Sahne-Buttersoße beim Italiener bei mir an der Ecke zum Beispiel. Lass uns dort mal am nächsten jüdischen Fasttag essen gehen.

Herzlichst, Mike

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.