Drama um jungen Komasäufer: Schüler 20 Stunden ohne Hilfe

LÜBECK - Ein 21-Jähriger ist in der Türkei an den Folgen des Konsums von gepanschtem Wodka gestorben. Fast einen ganzen Tag lag er in seinem Zimmer. Eventuell hätte man ihn retten können - der Lehrer verfügte über einen Zentralschlüssel.
Nach dem Tod eines Lübecker Schülers in einem türkischen Hotel soll geklärt werden, ob der 21-Jährige bei rechtzeitiger Hilfe hätte gerettet werden können.
Rafael N., der bei einer Klassenreise mit Methanol versetzten Wodka getrunken hatte, habe nach Erkenntnissen türkischer Ermittler fast 20 Stunden in seinem Bett gelegen, bevor seine Zimmertür geöffnet wurde, berichtete der «Spiegel» am Samstag vorab.
Anzeige gegen Unbekannt
Der Rechtsanwalt der Eltern, die Anzeige gegen Unbekannt erstattet haben, halte es daher für entscheidend, den genauen Todeszeitpunkt zu ermitteln. Sollte Rafael N. erst kurz vor seinem Auffinden gestorben sein, mutmaße Anwalt Frank-Eckhard Brand, hätte man ihm vielleicht noch helfen können. Der Lehrer, der die Gruppe begleitete, sei nach Ermittlerangaben im Besitz eines Generalschlüssels für die Hotelzimmer der Schüler gewesen. «Es wird zu klären sein, ob Dritte an dem Geschehen Mitverantwortung tragen», sagte Brand. Die türkische Justiz konnte den Lehrer dem Bericht zufolge bisher nicht vernehmen, weil er das Land bereits am Tag nach der Tragödie verlassen hatte.
Schwere Hirnschäden
Aussagen gebe es nur von vier der sechs Schüler, die mit Rafael N. den gepanschten Wodka konsumiert hatten. Allerdings könnten sie sich an kaum etwas erinnern, hieß es. Zwei 18-jährige Schüler liegen in der Lübecker Uniklinik im Koma. Sie sollen schwere Hirnschäden erlitten haben. Ermittelt werden soll auch, wer den Wodka hergestellt und verkauft hat. An der türkischen Riviera sollen geschmuggelte und gepanschte Spirituosen häufig im Handel sein. Getränkeproduzenten sehen das Problem vor allem in den extrem hohen Alkoholsteuern. «Oft nehmen Hotels einfach den billigsten Alkohol, ohne Rücksicht auf die Bezugsquellen», zitiert der «Spiegel» Galip Yorgancioglu, Chef des größten türkischen Raki-Herstellers. (AP/nz)